Ein kleiner Junge schrieb emsig in ein Heft; mit einem Füller, freiwillig, über Stunden. Willkommen im EC 57 von Berlin Hbf nach Wroclaw Glowny.
In Legnica hielten wir neben der Bahnhofshalle, den diese wird komplett saniert, nur noch das Stahlskelett, viel Sand und einige Bagger waren anwesend.
In Frankfurt/Oder wechselte das komplette Zugpersonal von deutsch auf polnisch. Nur die Kaffeeverkäuferin war seit Beginn aus Polen. Wie schon auf der Fahrt nach Posen im Januar auffällig: Östlich der Grenze sind Durchsagen auf polnisch und englisch, westlich der Grenze sind sie nur auf deutsch.
Madame ließ sich vom Goldschmied über Bootstouren in Danzig beraten.
Der Urlaub begann bereits am Hauptbahnhof mit der Reiseverpflegung: Wir kauften Sandwiches bei einem von zwei deutschen Pret-a-mangers. Und bei Pret denke ich sofort: London, Urlaub gute Zeit.
Es ist Urlaub, so ganz ohne Klausur und alles andere. Wegfahren wochentags, ein Konzept an das ich mich nur mühselig aus Vor-Corona-Zeiten erinnere. Wir erreichten Wroclaw/Breslau, residieren in einem ehemaligen Franziskaner-Kloster in Nähe der weißen Synagoge und werden dort heute abend lokalen Wein verkosten.
Packen ist für diesen Trip einfacher als für das Hagen-Wochenende. Vier Stunden Fahrt ohne Umsteigen, die nachmittags zentral in einer Großstadt enden, packen sich leichter als 14 Stunden aus dem Haus mit knappen Umsteige-Zeiten, die in einer leeren Bildungsherberge allein auf einem Berg enden.
Breslau 1: Wirkt beim ankommen großstädtischer als Poznan. Wroclaw 2: Das Hotel erfüllt alle Wünsche, die ich an ein hippes, modernes Polen habe. Auffallend wie bei jedem Polen-Stadt-Besuchen: Die unglaublich vielen jungen Menschen überall.
Abendessen: Bigos im Wroclawska neben dem Rynek, dem alten Markt. Danach polnischen Weißwein (Sol-Sol) in der Winaria des Hotels. Gegenüber vom Wroclaska die Imbisse Bratwursty (Das Angebot lässt sich für einen Deutschen erraten) und Dickery. (Die Form des dort verkauften Eises lässt sich vom Freund amerikanischen Slangs erraten.) immer wieder lustig zu sehen: Die Mädchengruppen, die davor standen und sich erst nach einigem Zögern hinein trauen.
Spannend, wie diese geschichtsträchtige Stadt mit ihrer Geschichte umgeht. Wie betraten unter anderem zwei Kirchen (Maria Magdalena und Adalbert), ich war von beiden beeindruckt.
Gegenwart gibt es auch: Die ukrainische Grenze ist nicht viel weiter weg als Berlin. Der Krieg liegt in jeder Hinsicht näher.
Reiselektüre: Kurt Vonnegut: Slaughterhouse 5. Einer der Klassiker amerikanischer Gegenwartsliteratur, der in Deutschland nie so recht ankam. Vielleicht wegen des Themas: Bombardierung von Dresden aus US-Antikriegssicht. Die Lektüre schob ich lange vor mir her, jetzt war die Gelegenheit. Und ich bin ergriffen. Ich hatte weniger/konventionelleres erwartet. Großes Buch und passend für die Fahrt von Deutschland nach Polen.
Bigos würde ich auch gerne mal richtig essen. Slaughterhouse 5: War mal als Schullektüre ein wenig verbreitet, jetzt aber schon lange nicht mehr. Mir gefällt das Buch sehr gut, bin dann auch eifriger Vonnegut-Leser geworden.