25-01-02 Breit, feierlich – Schnell und energisch – Cadenza (Silvesterrakete explodiert in Wohnung)

Hobbybrauer können seit dem 1. Januar 500 Liter jährlich steuerfrei brauen. Die Quote erhöht sich von 200 Litern im Jahr 2024. Auch neu: Deutsche Staatsangehörige müssen in deutschen Hotels keine Meldezettel mehr ausfüllen.

Wenn ich also endlich meine Kleinbrauerei in einem Hotelzimmer öffne, kann ich mein kleines Reich der Anarchie eröffnen.

Der Urlaub ist vorbei. Madame kehrte mit dem ICE 845 von Hannover-Hauptbahnhof nach Berlin-Südkreuz zurück. Ich kutschierte den Kaptain durch Regen und Sturmböen zurück von der Conti-Fabrik nach Dithmarschen. Mittwoch arbeite ich mobil aus der Ferne.

Ob ich noch einmal an den Deich komme? Der erste Versuch blieb Mittwoch aus. Irgendwann sollte auch ich akzeptieren, dass die Natur sagt „Shelter in space.“

Die Nordseeküste kann nicht nur dichten Nebel im Winter. Sie kann auch Orkanregen. Wieder Wasser von oben, von unten, von links und von rechts. Wieder würden mich Quallen in der Luft nicht wundern. Nur würden sie mir jetzt mit 100 km/h direkt ins Gesicht fliegen. Und das muss nich.

Action?

Herr southpark. Ich Vorsatz für das neue Jahr war „mehr Action!“ Wie haben Sie denn Silvester verbracht?

Also um Mitternacht saß ich auf dem Bett mit einer Tasse Ingwertee in der Hand. Wir schauten fern. Aber davor war ich auf einem Konzert. In einer Kirche. Mit Mama.

Morgens absolvierten wir eine Hannover-Stadtrundfahrt entlang des Maschsees nach Hemmingen, zurück an den Nanas vorbei, die Uni passiert und die Herrenhäuser Gärten umrundet. Da also wohnt die EKD! Über den goldenen Bahlsen-Keks ging es zurück auf die Memory Lane nach Langenhagen. Das Eiscafé Venezia existiert noch und verkauft weiterhin Spaghetti-Eis. Das andere Café wechselte Besitzer und Namen, verkaufte uns aber Silvester-Pfannkuchen (Variante Schornsteinfeger, Mehrfrucht und Champagner.)

Mehr Action

Ein eindrucksvoller Start in das Jahr. WIe ging es weiter?

Am Neujahrsmorgen um 10:34 legten wir eine filmreife „Mann läuft zum Bahnhof und kriegt aus dem abfahrenden Zug etwas gereicht“ hin.

Ein Konzert. Wir waren auf einem Konzert. Vor Beginn entledigte ich mich der Jacke, und gab Madame mein Portmonnaie zur Verwahrung in die Handtasche. Und dann war das Konzert vorüber, ich musste Ingwertee trinken und fernsehen und hatte keine Aufmerksamkeit für den Geldbeutel.

Am 1. verabschiedete sich Madame Richtung Bahnhof, ich wollte noch duschen, Sachen verstauen, den Kaptain einsammeln et cetera. Irgendwann überlegte ich, wo ich das Portmonnaie während der Autofahrt verwahren sollte.

Wo war es überhaupt? Ich überlegte „Madames Handtasche. Am Bahnhof. Kurz davor einen Zug nach Berlin zu besteigen.“

Es war 10:16h, das Hotel liegt eine U-Bahn-Station vom Bahnhof entfernt, der Zug sollte um 10:31h fahren. Ich versuchte, beide Schuhe und die Jacke gleichzeitig anzuziehen und kontaktierte Madame (die bestätigte den Standort der Brieftasche). Ich begab mich so schnell mich morsche Knochen und mangelnde Kondition lassen, zur Bahn. Drei Minuten Wartezeit. Abfahrt 10:27. Madame morst derweil Bahnsteig und ihren Standort durch.

Ankunft an der Bahnstation Bahnhof 10:30, ich stürme schleiche, aber so schnell wie seit 2013 nicht mehr, Richtung Bahnsteig. Madame meldet 3 Minuten Verspätung des Zugs der gerade einsteigt. Auf zu Gleis 10. Unten orientieren: wo ist Abschnitt D? Rolltreppe hochgehastet. Meine Luft! Mein Atem!

Ich sah von der Treppe aus die ersten Füße auf dem Bahnsteig und hörte „Zug blabla Gleis 10 fährt ab. Richtung Berlin. Bitte treten sie von den Türen zurück.“ Auf den Bahnsteig gesprungen. Madame stand noch an der Tür, wedelte mit dem Geldbeutel. Mit letzter Kraft dorthin gelaufen, ihr die Brieftasche aus der Hand gerissenund das überraschende Gefühl von Seitenstechen erlebt.

Der ICE fuhr derweil ab.

Das sollte eigentlich reichen für ein Jahr. Aber es sollte noch dramatischer kommen.

Vorher aber ein kurzes Andante.

Andante

Das Silvesterkonzert: in Hannovers Hauptkirche, der Marktkirche, spielten der Marktkirchen-Organist Ulfert Schmidt und der Nachwuchstrompetengott in spe Matvey Ovchinnikov. Sie führten ein Konzert für die Drei Orgeln der Marktkirche sowie Piccolo, D-und B-Trompete auf.

Wie es sich für einen solchen Anlass gehört, spielten sie ein schönes Potpourri aus Loeillet, Telemann, einem schwedischen Weihnachtslied und anderen. Mein musikalisches Highlight: Alexander Arutjunjan mit seinem Concerto in As-Dur und den Sätzen Breit, feierlich – Schnell und energisch – Cadenza.

Das Publikum: die bessere Hannoveraner Stadtgesellschaft mit starkem Hang zum Grauhaarigen. Sie nahmen das Kulturangebot an, bevor sie um Mitternacht zur privaten Silvesterfeier gelangten.

Es war festlich, es war schön, es war nachdenklich, jubelnd, lustig, wie es sein sollte.

Vorher: Garten. Gärten. Herrenhäuser Gärten. Vielleicht das Hannover-Highlight mit seinem Barock-Garten. Als guter Barock-Garten hat er genug Architektur, Hecken und Spaliere, um auch im Winter zu funktionieren. Vielleicht funktioniert er zu dieser Jahreszeit sogar besser, denn die Architektur der Gestaltung lässt sich ohne störende Blätter besser erkennen.

So eine Pracht nur fünf Bahnstationen von der Innenstadt entfernt.

Überraschend: die Grotte der inoffiziellen Stadtkünstlerin Niki de Saint Phalle. Diese durfte das heilige Gelände der Herrenhäuser Gärten mit ihrer Kunst schmücken. Zurecht.

Noch mehr Action

Dieses Silvester lernte ich was eine Kugelbombe ist.

In Kremmen, nahe der Latifundien, sprengte sich ein Mann mit einer Kugelbombe in die Luft und starb.

Eine andere Kugelbombe explodierte in Schöneberg. Sie beschädigte sieben Gebäude und barst in einem Wohnhaus sämtliche Scheiben. Sie brachte mehrere Menschen ins Krankenhaus.

Es traf keine direkten Nachbarn. Aber das Haus liegt noch locker in dem Bereich, den ich Alltagskiez nennen würde. Einst residierte nebenan mein Zahnarzt, ein Haus weiter links befindet sich ein Stammlokal. Ganz allgemein fühlt sich die Gegend zu sehr nach „zu Hause“ an, als dass ich dort mehrere Kilo Sprengstoff haben möchte.

Als wir die Nachricht von Hannover aus mitbekamen, schauten wir uns an, und dachten, gut, dass wir nicht in Berlin waren. Gut, dass auf dem Balkon nichts Brennbares ist. Little did we know.

Madame kam in die Wohnung und meldete „alles okay.“ Dann meldete sie „Löcher im Fenster (Oberlicht der Balkontür)“ und Raketenreste im Wohnzimmer.

Dann rief sie die Polizei. Die kam und zusammen rekonstruierten sie: Anscheinend hatten Menschen (okay, Männer.. immer Männer) von der Straße aus versucht, unter die Dachfolie zu schießen. Dabei hatte eine Rakete beide Altbaufenster über der Balkontür zerschlagen.

Die Rakete war gegen die Zimmerdecke geschlagen. Von der Decke prallte sie Richtung Boden. Sie traf auf dem Wohnzimmertisch eine Notenmappe. Dort prallte sie wieder ab, diesmal gegen die Zimmerwand. An der Wand explodierte sie. Die explodierenden Reste stürzten auf den Boden, wo sie dem Einband des „Wikipedia-Lexikon in einem Band“ landeten, das als Türstopper dient.

Das Wikipedia-Lexikon erwies sich als brandresistent.

2025. Das Jahr, in dem wir erst filmreife Abschiedsszenen hinlegen und uns dann ein Wikipedia-Einbänder vor einem Wohnungsbrand rettet. Und das war nur Tag 1.

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