Amerikanische Jungerwachsene diskutierten im M46er-Bus, ob Lego aus Deutschland und Playmobil aus Dänemark komme, oder umgekehrt. Ich beschloss „der Weg ist das Ziel“ und unterbrach ihre Diskursübungen nicht durch germansplaining.
Arbeitsankunftszeit: 8:53h. Aber mein Bewegungsgefühl beim Radfahren dorthin sagte „Fitter als die letzten Tage“. Anscheinend half die Halbschlaf-Lesekur in den märkischen Hamptons.
Zu den Teilen meiner Arbeit, die ich gerne abgewählt hätte, gehört der Teil „Stellvertretender Konferenzraumtechniker.“ Aber oh well, manchmal muss man dann halt unter dem Tisch kriechend das lose Kabel suchen, während ein Raum voller total wichtiger Menschen zuschaut. Manchmal findet man dann nicht mal ein loses Kabel und muss dann schulterzuckend sagen „wird wohl heute nichts mehr.“
Das Fernuni-Moodle hat mich für die Einheit „Abschlussarbeit“ freigeschaltet. Und ich finde das erschreckend.
Der Zeit entnehme ich, dass wir in Laufweite der „Schlimmsten Schule Deutschlands“ wohnen – was mich immer noch wundert. Denn die Gegend in der sie steht, und damit eigentlich auch das Einzugsgebiet der Schüler*innen, ist eher puschelig.
An der Jugendverkehrsschule Sachsendamm blühen die Forsythien und auch ein rosa Strauch. Selbst an der windumtosten Autobahnebene ist die stadtgewärmte Berliner Natur ihrem Brandenburger Pendant einige Tage voraus.
Holzbiene
Auf den Latifundien täuschte die Forsythie das Aufblühen zwar an, rang sich dann aber doch nicht dazu durch.
Oh Sonne. Freitag abend hatten wir noch die Hymne Echnatons auf Aton, den Sonnengott gelesen, schon strebten wir am Wochenende selber nach der Sonne:
Nicht gleich wie Echnaton in seiner Hymne an die Sonne: Du gehst auf für sie – sie leben,du gehst unter, sie sterben.
Aber doch: Du gehst auf: Wir frühstücken. Du gehst unter: Wir frieren.
Die Südterrasse kann im Sommer eine Belastungsprobe darstellen. Im Restwinterfrühling bei 11 Grad liegt sie perfekt – die Sonne hielt uns genau in der richtigen persönlichen Temperaturspanne.
Unvermuteterweise frühstückten wir mit einem weiteren Komische-Oper-Flashback. Die Moderatorin bei Klassik, Pop et cetera war Katherine Merling – weltbekannt in Berlin als Schauspielerin in Renaissance-Theater, Schlossparktheater, Bar jeder Vernunft und eben der Komischen Oper. Vielfache Gewinnerin des Goldenen Theatervorhangs – und einer dieser Siege verschaffte uns letztes Jahr Schnittchen und Getränke umsonst, denn in der Komischen Oper wurde gefeiert und wir waren zufällig in der richtigen Vorstellung.
Ihr mitgebrachtes Musikprogramm bestand aus Hildegard Knef, Lotte Lenya, Edith Piaf, Portishead. Ich sah und hörte ein Muster.
Wir blieben den Tag über in der Sonne. Das Getüm wanderte wieder an seinen Sommerplatz. Ich stieg zu den Tigerschnegeln zum Wasserzähler, Madame produzierte fleißig abgeschnittenes Totholz.
Wir schauten Natur: Der Taubnessenwald, dort wo letztes Jahr der Erdhaufen war. Überraschungs-Anemonen in den Beeten. Die große Holzbiene auf der Suche nach einem Wohnplatz. Die Kohlmeise schauten wir nicht, aber wir hörten sie. Dafür deutlich besitzergreifend von Birne, Palettenstapel und Mirabelle: der Hausrotschwanz.
Wir lasen. Madame: Gewässer im Ziplock. Ich: Das perfekte Grau. Madame: Begeister. Ich: manchmal begeistert, manchmal „muss das jetzt wirklich sein?“
Später, als die Sonner verschwunden war, und wir zum Eichhörnchenofen flüchteten, stöbern durch Qobuz. Das ist Musik für Erwachsene. Sowohl darin, was sie selber hören, als auch in der Herangehensweise (lange hatte nicht mehr das Gefühl, ein Medium nimmt Popmusik so ernst) als auch darin wer ihre Hörer sind. Zu den meistgehörten Alben dort gehören zur Zeit Alben von Steve Wilson, Steve Reich, Anoushka Shankar, Billie Eilish und den Dire Straits.

Niki
Niki will Klebstoff. Und Klebstoff heißt auf französisch colle.
Wir waren im Delphi-Lux-Kino, und sahen den Film Niki de Saint Phalle, ein Biopic über die Person Niki de Saint Phalle. Ehemals Aktionskünstlerin, später als Erschafferin der Nanas das Beste was diversen deutschen Innenstädten (insbesondere Hannover) passieren könnte.
Verarmte Adlige, die ihre Kindheit als Hölle bezeichnete, fast erfolgreiche Schauspielerin, gegen den Willen beider Familien eingeheiratet in das amerikanische Ostküstenestablishment, verließ ihre Kinder und ihren Mann, um Kunst zu machen, wurde durch Gewaltkunst berühmt, um dann mit großen runden freudespendenden Figuren in die Geschichte einzugehen.
Eine der ungewöhnlicheren Frauen des 20. Jahrhunderts.
Die leider einen durchaus gewöhnlichen Film gewidmet bekam.
Der Film war gut erzählt, nett, mit einer herausragenden Schauspielerin, und neugierig machend auf die Person. Aber das Gefühl bleibt: Angesichts dieser Person und dieser Geschichte wäre aber so viel mehr möglich gewesen.
Wenn ich mit einem Tag Abstand über den Film nachdenke, mich frage, was hängen blieb: die großartige Hauptdarstellerin Charlotte Le Bon, die als Niki durch das Gelände der Irrenanstalt (ungewöhnliche Frau halt..) irrt, Kunst schaffen will, aber nicht darf, und verzweifel jede und jeden um Klebstoff angeht.
Was Kino kann, was Streaming niemals schaffen wird: Die Publikumsbetrachtung. Hier ein starkes Übergewicht älterer Kulturdamen1 aus den wohlhabenderen Teilen Berlins. Sehr unterhaltsam die Damen.
Deutsches Design
Die Website Industrieform DDR widmet sich der Geschichte des Designs der DDR. (via Ligne Claire)
Die Zeit widmet sich einem unbekannten Klassiker westdeutschen Designs, den niemand kennt, aber fast jeder schon in der Hand hatte: Der Willibecher. Das deutsche Standard-Kneipen-Bierglas.
Wenn die vierte Gewalt in den USA erschreckend versagt, müssen andere ran: Lest We Forget the Horrors: An Unending Catalog of Trump’s Cruelties, Collusions, Corruptions, and Crimes
Anmerkungen
- Um ein Haar hätte hier nicht ..damen gestanden. Die gute Erziehung siegte dann doch. Aber nicht so absolut, um diese Fußnote zu ersparen. ↩︎
Immerhin finde ich eine Diskussion mit Lego und Playmobil inhaltlich angenehmer als das, was ich teilweise so bei der Jugend heutzutage aufschnappe.
Und Einzugsgebiet und Kliente an Schulen ist nicht immer gleich… Ich habe mal in einem Schulhort in einer wohlhabenden Gegend gearbeitet und muss leider sagen, dass die Kinder sehr, sehr anstrengend und teilweise auch schwer zu händeln waren, obwohl sie aus Villen und Eigentumswohnungen mit Arzt- und Antwaltseltern kamen usw…
Nanas: Duisburg winkt freudig!
Unsere Nana (,,Lifesaver“) wird ja angeblich von den Duisburgern ,,Bunter Geier“ genannt. Diese Bezeichnung habe ich in der freien Wildbahn allerdings noch nie gehört. Als die Skulptur mal vor einigen Jahren nicht mehr an ihrem Platz war, haben sich doch viele Leute Sorgen gemacht. Natürlich war der Lifesaver nur mal zur Restaurierung im Urlaub. Ich habe die Skulptur dann mal zufällig bei einem Spaziergang im Landschaftspark Duisburg-Nord (ein Industriedenkmal) in einer Halle gesehen.
Nun steht der Lifesaver wieder auf dem Brunnen in der Innenstadt seinen Vogel und ich konnte wieder eine schöne Erinnerung reaktivieren.