25-11-25 Um halb sieben gehen die Nummern aus

Nach 17 Jahren auf dem Schöneberger Hinterhof der Abenteuer verließ das Fahrrad seinen Stellplatz und steht seit Sonntag im Wilmersdorfer Keller der Behaglichkeit. Erstaunlicherweise ist ihm in diesen 17 Jahren nie mehr passiert, als alle neun Jahre einmal ein platter Reifen.

Die Überführung verschaffte uns einige neue Erkenntnisse zur neuen Nachbarschaft. Am besten: Als Madame feststellte, dass hier in der Nähe der gute Bäcker sein muss, er eine Minute später in unser Sichtfeld geriet und sogar am Sonntagnachmittag geöffnet hatte.

Es war ein Sonntag des Prä-Umziehens, ein Montag und Dienstag der Erwerbsarbeit.

Madame bekam eine absehbare historische Rarität: Eine Urkunde, die von einem leibhaftigen BSW-Minister unterschrieben wurde.

Ich las Blogbeiträge der letzten Jahre und bekam meine vagen Erinnerung bestätigt: November ist immer ein besonders nerviger, anstrengender Monat, wo alles Mögliche erledigt werden soll und ich im Zweifel krank bin.

Deshalb ja sparte ich mir dieses Jahr drei Urlaubstage für den November ab vom Munde ab -> auf in ein Hotel mit Lesemöglichkeit, Aussicht, gutem Essen im oder am Haus, Seeluft und einem Schwimmbecken im Haus. Und was passiert: Umzug! Corona! Der November bleibt sich treu.

Immerhin werde ich ab Dezember ein 25-Meter-Schwimmbecken und eine Sauna im Haus haben, gutes Essen gibt es in der Nähe und Lesemöglichkeiten natürlich auch. Im nächsten November wird es dann wirklich was mit dem Urlaub!

Aufräumerkenntnisse

Beim gehäuften Ausmisten frage ich mich, was mir wirklich etwas bedeutet – vor allem beim Thema Buch, denn dort verabschiedeten wir die größten Bestände.

Ich stelle fest: Ich behalte sehr viele Klassiker der Philosophie, Soziologie (samt der obskuren Referenzen auf die Niklas Luhmann sich bezieht – crazy stuff!) und Politik. Ich behalte SciFi-Klassiker (Urusla K. Le Guin, Stanislaw Lem, Phil K. Dick) – aber auch überraschend viel eigentlich mittelprächtige Fantasy-Literatur mit der ich mich emotional verbunden fühle. (Michael Moorcock, Rivers of London)

Weiterhin macht mich der Anblick des Bücherregals sehr glücklich, denn jedes einzelne der übrigen Bücher würde ich mich Freude sofort wieder lesen.

Dummerweise führt genau dieses Ausmisten dazu, dass ich nicht voller Spannung das aktuelle Hallodriwesen im Hinterhof beobachten und auswarten kann. Denn wir haben erhöhten Abfallbedarf, der neuste hallodriale Streich, die Müllabfuhr auszusperren, ist also misslich.

Normalerweise würde ich davon ausgehen, dass unsere Hallodris nach spätestens drei Woche jede Lust und Konsequenz für ihren aktuellen Plan wieder verlieren würden und alles so weiterwurschtelt wie bisher.

Aber in drei Wochen sind wir gar nicht mehr da! Und Müll haben wir jetzt! Also redet Madame mit allen greifbaren Nachbarn und versucht ihnen die einfache Wahrheit „Wenn Tor zu, dann keine BSR. Wenn keine BSR, dann Müllberg“ zu erläutern. Und ich stiefelte Montag Morgen um halb sechs, kurz bevor die BSR kommt, unsere vier Altbaustockwerke hinauf und hinunter, um das Tor aufzuschließen.

Same procedure wohl Übermorgen.

Auf den ersten Blick aufgeräumt wie nie, der Hinterhof

Was willst du von mir?

Vergleichweise geordnet trennten wir uns von Küchenbauresten. Wir absolvierten den siebten oder achten IKEA-Besuch in den letzten vier Wochen.. diesmal aber beim Kundenservice. Ich rollerte mit den Küchenteilen nach oben, zog gegen 18:10h meine Nummer K222 und sah, dass die Anzeige bei K192 war. Daneben liefen noch X-, S-, E- und R-Nummern durch – es würde also dauern.

Irgendwann gegen 18:40h stellte IKEA die Nummernausgabe ein. Dafür tauchte ein Mitarbeiter auf, der die Nachkömmlinge händisch managte. Also theoretisch, praktisch schäkerte er mit Kolleg*innen, verzog sich zur Ausgabe, begleitete andere Kund*innen zum Hot Dog Stand, machte also fast alles außer Queue Management.

Die Nachkömmlinge irrten also durch die Gegend, landeten zwangsläufig an den eigentlichen Service-Schaltern und wurden dort auf die Suche nach Mr. Queue Management geschickt.

Bis auf den einen. Der eskalierte gegenüber dem armen Servicemenschen, dass es so alles nicht ginge. Und naja, nachdem er dann zehn Minuten eskaliert hatte, dachte ich, nu is mal gut: Inhaltlich habt ihr wohl alles geklärt, und dass du den armen Menschen von der Arbeit abhältst hilft niemanden. Ich stiefelte in die Szene und redete nun meinerseits energisch auf den eskalierenden jungen Mann ein.

Der Plan der Problemlösung durch Eskalationssteigerung ging auf. Der Mann, verwirrt jetzt nicht nur den IKEA-Mitarbeiter zu belästigen zu können, sondern selbst zur Rede gestellt zu werden, eskalierte mir gegenüber so laut, dass Mr. Queue Managment aus dem Tiefschlaf aufwachte und den Herrn zur richtigen Stelle geleitete.

Auch mit 50 kann mensch noch Erfolge feiern: Dass mir bei IKEA Prügel angedroht wurde, war eine Lebenmspremiere.

KI in Kapernsauce

Kapern, Huhn, rede gar nicht weiter, ich koche alles nach.. Scaloppine ai capperi – Huhn in Kapernsauce

Thomas bringt das Wesen des Haselanten auf den Punkt: Ich erzähl ja schon seit geraumer Zeit, dass Large Language Modelle wie ChatGPT keine Wissensmaschine, sondern Erzählmodelle sind. Und erzählen können sie.

Als Madame noch in Frankfurt wohnte, wohnte sie einmal quer über die Straße von der Riederwaldsiedlung. Wir gingen dort immer gern spazieren – die Architektur spannend, die Gegend so ein Großstadt-seltsames Gefühl von behaglicher Nachbarschaft verbreitend. Es scheint immer noch so: Spurensuche: Architektur der Riederwaldsiedlung

Ich sehe die (ungeheizte, unbewohnte, nur für Besuch geöffnete) „gute Stube“ im Holsteiner Haus sofort vor mir. Wobei das Konzept zu meiner Kindheit schon aufgeweicht war. Die gute Stube existierte zwar noch, wurde aber neben der bewohnten Küche auch als Wohnzimmer genutzt: Opas Ölgemälde

Dort saß am Nebentisch ein Paar, das so urluxemburgisch war, wie ich schon lange keines mehr erlebt habe. Sie verstand ich nicht immer weil sie mir den Rücken zukehrte. Er schien jedoch ein alter Knattergreis zu sein: „Nee, du léis dat sinn! Du bezills guer näischt! Wann déi dat bis d‘nächst Woch net an d‘Rei bruecht hunn, ruffen ech dem un! Dat wäerts emol gesinn!“ Dann folgte das, was folgen musste, er grüßte mich.

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