Sechzehn Tage und vier Stunden nach Einzug in ein Schwimmbad gingen wir das erste Mal schwimmen: Am 23. Dezember um 19:30h. Die Erschöpfung nach diesem Tag war nicht ganz so schlimm. Die Aussicht auf mehrere freie Tage in einem Haushalt in dem alles funktioniert und alles dort steht, wo es stehen soll, beflügelten zu Abenteuern.
Zum Abschied sahen wir beim folgendem Abendessen aus dem Fenster auch noch einmal den Parkplatz-Fuchs. Es war ein gutes Omen.
Aber vor allem ging es auf die Reise. Tage der Aufgeräumtheit, der Ruhe und des Ausschlafens kündigten sich an.
Es war Heiligabend und der erste Weihnachtstag.
Heiligabend morgen war Geruchsintensiv. Im U-Bahn-Fahrstuhl musste ich sofort an Frau Brüllens zitierte blumigen Parfümbeschreibungen denken, wollte innerlich den Geruch mindestens so würdigen wie ihr Adventskalender es schafft. Ich brachte aber nur zusammen „Es ist zu früh. Ich bin zu müde.“ Im Zug ein neues Geruchserlebnis. Wieder fehlten mir die Formulierungen, beziehungsweise kondensierten sich zu einem einzigen Wort der Geruchsbeschreibung: Es riecht nach Erdbeerjoghurt.
Heiligabend abendtrafen wir Familie und werden weitere Treffen. Das war wie immer schön, ich habe schon großes Glück, wo ich einheiratete. Dazu bewährte Klassiker wie Fondue chinoise und Schäufele mit Kartoffelsalat. Wir konnten der Versuchung nicht wiederstehen, Madames Patenkind aus Autofahrerhaushalt für den ÖPNV zu agitieren.

Über Offenburg nach Paris
Ich vergaß, vor der langen Bahnfahrt die Glückssocken anzuziehen. Sogleich beschloss die Bahn uns zu testen: Die Ringbahn fiel aus, unser Standardweg zum Hauptbahnhof war nicht mehr möglich. Da wir noch zu neu in der Wohnung sind, um wirklich alle Alternativen sicher zu beherrschen, brach etwas Hektik aus, aber wir packten alles ein, setzten nicht mit den Adventskerzen die Wohnung in Brand und auch das aus Versehen aus dem Fenster geflogene Platzset sammelten wir wieder ein.
Also statt Ringbahn lieber U-Bahn. Statt S42 und Stadtbahn, lieber U3, U9 und Stadtbahn. Zum Glück hielt die BVG alle Beförderungsversprechen, wir waren pünktlich am ICE371 Berlin-Basel.

Dieser war erwartungsgemäß leer. Neben uns saß ab Braunschweig eine Familie (Tochter am Ende des Studiums aus Leipzig, Vater aus Freiburg, Oma aus Salzgitter), die zu „Jan“ nach Wiesbaden fuhren. Der Vater hatte einen großen Aufstand veranstaltet, damit alle zusammen plus Omas Rollator einen Vierersitz hatten, nur damit er sich die ganze Fahrt über woanders aufhielt und Tochter, Oma und Rollator alleine ließ.
In Karlsruhe wurde es voll. Anscheinend war eine Strasbourg-Paris-Verbindung gescheitert, ICE371 plus dem Regionalzug Offenburg-Strasbourg bildeten den Ersatz. Und so schoben sich plötzlich Gruppen asiatischer Frauen durch unsere Waggons oder die griechische Kleinfamilie mit acht großen Schrankkoffern im Gepäck, auf dem Weg über Strasbourg nach Disneyland Paris. Und kaum hatten sie sich alle eingerichtet, waren wir auch schon in Offenburg. Die ganze Karawane aus aller Herren und Damen Länder verließ wieder den Zug.
Auch ohne Glückssocken hielt sich die Verspätung im Bereich unter 30 Minuten, was als voller Bahnreiseerfolg zählt.
Essen in Zeiten der Schwierigkeiten
Auch wenn wir gerade 20 Meter Buch weggegeben haben, irgendwie verirrten sich zwei Exemplare für mich unter den nicht vorhandenen Tannenbaum verirrt:
- Vincenzo Cerami: Ein ganz normaler Bürger
- Rea Irvins the Smythes
Mehr dazu, wenn ich sie gelesen habe. Noch lese ich mich durch schon vorhandenes.
Im Zug angelesen: Frank Schätzing: Der Schwarm. Einst ehedem in einer Bücher-Telefonzelle gefunden und jetzt als dicken Reisewälzer eingesteckt. Nach 15 Seiten genervt beschlossen, dass ich und dieses Buch nicht zusammenfinden. Zuviel Schlaubi-Schlau-Attitüde, zuviel schlechter Schreibstil, zuviel Mansplaining und null Empathie gegenüber den eigenen Figuren.
Im Zug angelesen: Nigel Slater: Toast. Die durch Essen erzählte Kindheits- und Jugenderinnerungen des bekannten Kochbuchautos Nigel Slaters. Das Buch gewann beim Erscheinen 2012 zahlreiche Preise, und das vollkommen zurecht. Die Geschichte einer schwierigen Kindheit anrührend erzählt, eine Hommage an Essen und Geschmack, mit jeder Zeile großartig.
Dazu passt die Lektüre, die zu Hause blieb: High on the Hog. Auch dort Geschichte durch Essen erzählt, und die Kraft die Essen und seine soziale Bedeutung auch in widrigsten Zeiten bringt.
Weder Esel noch Krippe
Weihnachten feiern ohne explizit christlichen Bezug ist wie das Tragen eines Band-T-Shirts ohne je etwas von der Band gehört zu haben: Falsch.
Die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn erlaubte uns den Besuch der Christvesper in der Lörracher Kirche im Quadrat. (formerly known as Christuskirche). Die nun vollbrachte das Kunststück eines christlichen Bezugs weitgehend unter Auslassung von Weihnachten.
Weihnachtsgeschichte – nada. Weihnachtslieder – ganz am Ende noch einmal Stille Nacht. Ansonsten gab es thematisch sehr viel Licht in der Dunkelheit, was man nun irgendwie auch auf Weihnachten beziehen kann. Aber quasi auch an jedem anderen Gottesdienst des Jahres sinnvoll als Thema vor vortragen könnte. Nicht einmal als Absage an Weihnachtskitsch ging es durch, dadurch war es inhaltlich leider auch zu belanglos.
Immerhin, die Keyboardspielerin/Sängerin und der geigende Konfirmant, die aus Gründen der Organistenknappheit eingesprungen waren, waren beide gut, der Konfirmant auch noch ganz großartig herzig.
Es wird mehr gesungen
Wo ich gerne beim Weihnachtessen naschen würde, ist die Asia-Schweizerin Wilma: Schweizer Wintergemütlichkeit trifft auf asiatische Herzlichkeit – geschmolzener Käse, langsam gekochte Brühen, duftende Gewürze und Gerichte zum Teilen.
Bester Weihnachtsbaum bei Maik.
Matthias fragt: Eine Wikipedia-Seite für einen dahergelaufenen Blogger? – und als Wikipedia-Autor sage ich „Nein.“ Unter anderem weil man als Objekt eines Artikels keinen Einfluss mehr hat und dann jahrzehntelang zähneknirschend ertragen muss, wenn unausgegorene Halbwahrheiten im Artikel stehen. (Was ich auch gerne im Blog kommentiere würde, aber dafür müsste ich mich bei WordPress.com anmelden)
Hamburg-Korrespondent Percy Puddletree stellt fest: Es wird mehr gesungen. Und als ob das nicht schon absonderlich genug wäre, wurde auch mehr getanzt.
Frohe Weihnachten und Danke!
LG Wilma