Die Dachbaustelle im Hinterhaus bekommt einen erkennbaren Balkon.
Auf unserem Dachboden, den ich eigentlich für komplett leer halte, sind neuerdings Abends nach 22 Uhr oder morgens vor 7 Uhr kleine Männergruppen und machen irgendwas. Ich vermute, dort findet fortgeschrittenes Hallodritum statt.
Fortgeschrittenes Fensterputztum fand in der Wohnung statt, dank eines Profis mit Leiter und norddeutschem Migrationshintergrund.
Der italienische Feinkostladen in der Straße eröffnete. Stilecht mit grün-weiß-roten-Luftballons. Angesichts der übrigen Kleineinzelhändler dieser Straße vermute ich trotzdem, dass er im Hintergrund einer türkischstämmigen Familie gehört. Aber es waren Leute anwesend. Viele.
Wir sind Zeugen einer Transformation: Wirkten die Geschäfte dieser Straßenzeile (Wettbüros, Sportschuhe, Gastrogroßbedarf) bisher so als wären sie nicht auf Laufkundschaft – oder überhaupt auf Kundschaft – angelegt, hat die rapide Transformation in den letzten Wochen viel Neues gebracht: Hühnerwald, „Medien + Reisebüro“, der neue Inder und jetzt auch der Feinkostladen wirken ernstlich so, als sollten Leute hineinkommen. Nur der „Barbershop-Großbedarf“ verströmt weiterhin das Flair einer geschlossenen Gesellschaft.
Gepreppt: The one and only Coffee Chili. Als Nachtisch: James Grieve aus eigenem Anbau. Unter dem anderen Apfelbaum wächst Borretsch. Der hat sich freundlicherweise ohne unsere direkte Intervention dort angesiedelt.
Heute morgen beim Frühstück warnte mich die Katwarn-App: Feuerwehreinsatz in Dithmarschen. Halten Sie Fenster und Türen geschlossen. Eines der beiden Wesselburener Wahrzeichen brannte. Und da im Getreidesilo immer wieder Getreide nachrückte, war es quasi unlöschbar. Drama in Wesselburen. Anruf beim Kaptain: „Ach, deshalb riecht es so. Ich hab mich schon gefragt, wer so früh am Morgen grillt.“
Der Geruch in der Tiefgarage der Südkreuz Offices wird intensiver. Soweit ich verstehe, scheitert eine Taubenbekämpfung am Taubenschutzverein, der Nester mit Eiern entdeckte. Als Mieter eines Berliner Balkons sage ich: Herrje. Natürlich. Sobald man drei Minuten nicht hinschaut, haben sich Tauben angesiedelt, ein Nest gebaut und Eier gelegt. Das ist ihre Superkraft.
Mutter von Welt, Zug in Griechenland
Kitty Koma war in Nachbarschaft unserer Latifunden auf einer Einschulungsfeier. Sie entdeckte: Die Mutter von Welt trägt bei so einer Veranstaltung um 9:30 Uhr langes Abendkleid, silberne High Heels und falsche Wimpern zu ihren üblichen Tatoos.
Ich finde Karens Zugreise durch halb Europa ebenso cool wie inspirierend. Und auf meiner eigenen Löffelliste landete sofort der Plan: Mit dem Zug an den griechischen Strand: Turku-Istanbul mit dem Zug: (13) Kineta
Strong, striving, great, more, wider
Überraschenderweise bin ich ja in meinem Leben aktuell im öffentlichen Dienst gelandet – und den Vorurteilen nach soll dort nicht alles immer rasend schnell gehen. Umso mehr freut es mich, dass mein Ex-Arbeitgeber, Wikimedia Deutschland, sich das „10-Wochen-Jetzt“ angewöhnte. WMDE bloggt We are excited to announce that Wikimedia Deutschland (WMDE) now has a new strategic direction until 2030!
(Formell beschlossen am 17. Juni, gebloggt am 29. August)
Zu meiner Zeit war es so, dass WMDE ein disparater Verein war, mit reichlich verschiedenen Abteilungen. Um ein Bild zu nutzen: Wäre es ein „Verein zur Förderung des Sports gewesen“, hätte es eine Abteilung für Schwimmen gegeben, eine zur Entwicklung von Kufen für Rennrodeln, eine zur Erforschung des Sports im Nationalsozialismus und eine für internationale Beziehungen.
Dementsprechend schwierig waren alle Strategiedebatten. Meistens endeten sie darin, dass unter Hinzuziehung mehrerer Arbeitsgruppen mit großem Aufwand und in schönen Worten gesagt wurde „Wir müssen Wassersporttreibende ohne Sportgerät fördern und schnellere Verbindungen zwischen durch Schwerkraft angetriebenen Renngeräten und dem Eis entwickeln und das Wissen über das Wesen des Sports im Nationalsozialismus vertiefen und das alles in einen internationalen Kontext stellen.“
Meine Zeit ist lange vorbei. Aber wenn ich mir die Strategie so betrachte: Nicht viel hat sich geändert seitdem.
Viel Geld
Die 1990er haben angerufen und möchten ihre Standort-Deutschland-Debatte zurück. Einziges Zeichen des ökonomischen Wandels seitdem: Das Schimpfwort der „Vollkaskomentalität“ wandelte sich zur „Flatratementalität.“ Eine Nation der Autobesitzer verwandelte sich in eine Nation der Handynutzer.
Wobei sowohl Vollkaskoversicherungen wie auch Handy-Flatrates nur existieren, weil sie für die Anbieter gewinnbringende Geschäftsmodelle sind. Die Kunden zahlen im Schnitt mehr einzahlen als sie entnehmen. Menschen schätzen es, wenn sie keine finanzielle Unsicherheit erfahren. Sie sind bereit, dafür Geld zu auszugeben.
Die New York Times berichtet, dass Dänemark überlegt zwei nationale Wirtschaftsbilanzen aufzustellen: Eine mit Novo Nordisk, dem Entwickler von Ozempic und Wegovy, (Gesamtes Nationales Wirtschaftswachstum mit NN knapp 2%) und eine ohne (Wirtschaftswachstum 0%). Zwei Diätmedikamente machen genug Umsatz und Gewinn um komplette europäische Volkswirtschaften aus dem Rahmen zu werfen.
Um fast soviel Geld geht es im New-York-Times-Feature The Inheritance Case That Could Unravel an Art Dynasty (Geschenklink ohne Paywall) – die Welt aus gigantischem Reichtum (mehrfache Milliardärsklasse), einem kulturell-distinguierten Lebensstil weit über jede Karikatur hinaus, totaler Verschwiegenheit und Organisierter Kriminalität auf Eliteniveau fasziniert mich. Ähnlich fasziniert mich aber auch seit Jahren Feuilletonberichterstattung über moderne Kunst, die ohne die Wörter Schwarzgeld, OK und Mafia auskommt.
Die Zeit entdeckte (hinter der Paywall), dass ausgerechnet der Veltener Bernsteinsee ein „Trendsee“ sein soll. Da kommen auch Journalismuszweifel auf: Von den etwa zehn Badeseen in der Nordwestecke Berlins, die mir einfielen, liegt der Bernsteinsee irgendwo zwischen Platz 9 und 10.