Madame las einarmig Kant.
Zwei Gärten weiter wurde ein Kindergeburtstag gefeitert. Zum Abschluss gönnten sich die Eltern zwei Lieder der Rammstein GbR in Siedlungslautsstärke.
Madame zeichnet Pergolen. Beziehungsweise – da auch Zeichnen einarmig schwierig ist – überlegt sie an Zeichnungen, die sie zweiarmig anfertigen kann, sobald die Orthese verschwunden ist.
Ungeahnte Zustände herrschten im Bungalow. Wir suchten Jacken und Socken! Der Sonnenschirm blieb im Schuppen. Wir schlossen Fenster, bevor es zwingend notwendig wurde. Irgendwann sagten wir „Es wird kühl, wir könnten jetzt reingehen.“ Ich konnte am hellichten Tag von der Terrasse zum Apfelbaum laufen, ohne das Gefühl zu erleiden, an Hitzschlag zu sterben. Es gab wieder Essen zu normalen Zeiten, weil ich mich vor 20 Uhr zu seiner Zubereitung aufraffen konnte. So herrlich.
Die Kaffeegartenrunde musste nicht mehr im Halbschlaf durchgeführt werden, weil es sonst zu heiß würde. Prompt entdeckte ich ein neues Insekt: Wespenartig, aber länger und schlanker und mit auffallend weißen Binden. Nach längerem Suchen in Büchern und dem Netz: Anscheinend ein männliches Exemplar einer Sechsbindigen Furchenbiene. (Halictus sexcinctus)
Von mir übersehen, aber von Madame entdeckt: Eine Tarn-Libelle.
Überhaupt: Angesichts dessen wie trocken die Latifundien eigentlich sind, fliegen erstaunlich viele Libellen vorbei.
Auch überflogen: Kraniche. Ist schon die Zeit des Rückflugs?
Madame möchte mehr Gaura. (Auch sehr schön, aber mit einer Schönheit, die sich nur schwer auf Fotos bannen lässt).
Dem Blog entnahm ich, dass wir vor genau einem Jahr auf Helgoland waren. Spontan schaue ich, ob es eigentlich Bildungsurlaub gibt, der auf Helgoland stattfindet: Gibt es. Aber die Themen finde ich öde.
Dem Blog entnahm ich, dass wir letztes Jahr am 11. September die Alkmene-Äpfel ernteten. Das wäre ein Plan für dieses Jahr. Vorausgesetzt, wir finden die fünf Äpfel ganz oben am Baum wieder. So ist mit den Äpfeln: Letztes Jahr gab er uns noch eimerweise Ernte, dieses Jahr keine. Dafür trägt James Grieve.
James Grieve, der Apfelbaum, der dieses Jahr immer gibt. Wieder gab es einen Fallapfelcrumble. Es wird der letzte gewesen sein. Wir beschlossen: die Sommeräpfel sind reif. jetzt wird geerntet.
(Einschub: Vielleicht sollte ich auch den von mir selbst geschriebenen Wikipedia-Artikel zum Apfel öfter lesen. So einiges erschien mir gerade komplett neu.)
New Orleans / Grünheide
Dafür gelesen: Tony Fenelly: Robins Hochzeit. Der letzte Band der Matty-Sinclair-Trilogie. Einerseits weniger gelungen als die beiden Bände zuvor, andererseits besser.
- Weniger schön: Die Handlung ist in ihren Themen ambitionierter. Aber damit der Plot das hinbekommt, rumpelt seine Konstruktion erheblich und die Glaubwürdigkeit der Handlung wirkt mehr als einmal fadenscheinig.
- Die Romane spielen in den 1980ern in der schwulen Halbwelt von New Orleans. Dort kommen viele Begriffe vor, die das Standardamerikanische nicht kennt und schon gar nicht das Standarddeutsche. Mir war zuerst eine deutsche Übersetzung in die Hände gefallen, und die zog mich in ihren Bann. Ich weiß gar nicht, ob die Übersetzerin Mechthild Küpper die damalige Szenesprache nutzte, oder ihren eigenen Jargon erfand. Es gab so einen ganz gewissen Sound. Der dritte Teil hat einen anderen Übersetzer, der deutlich näher am Standarddeutschen schreibt: Womit das Buch noch mehr holpert als nur durch den Plot bedingt.
- Spannend: Ein Krimi, in den 1980ern geschrieben und veröffentlicht, der sich mit der Frage auseinandersetzt: Wie ist es denn nun, wenn Schwule unter den damaligen Bedingungen einen „Bund für’s Leben“ schließen wollen? Was ist möglich und wie sieht es mit dem Selbstbild aus?
- Chilling: Eine Szene im Kitt’s, eine Art schwuler Gentlemen’s Club in New Orleans mit Séparées im Obergeschoss für ihr-wisst-schon-was. In dem Club taucht als Nebenfigur eine verhärmte Gestalt auf, die Wunderheilungen gegen AIDS nachjagt. Wenn man weiß, wie sehr AIDS in den 1980ern die gesamte Subkultur zerstörte und dass genau solche Clubs Opfer von AIDS wurden – nur eine kurze Szene, ohne weitere Relevanz für die Handlung. Aber für mich nachdrücklich.
Beim Radio-DAB-Durchzappen über eine wunderlich-schöne Austropop-Sendung gestolpert. Mit Georg Kreisler, der EAV, Reinhard Fendrich und Hubert von Goisern. In einer Individualität der Anordnung wie ich sie nur aus den Anfangsjahren des deutschen Privatradios erinnere, oder aus den stets schwindenen Nischenfenstern im ÖR-Rundfunk. Oder halt aus selbstgemachten Sendern wie Radio FSK (Hamburg) oder dem Offenen Kanal Westküste (Dithmarschen). Dafür allerdings wirkte die ganze Austropop-Sendung viel zu professionell.
Gefunden: Es sendet Radio Ginseng. Aus Grünheide bei der Tesla-Fabrik Berlin. Ein Radio das von sich sagt: „Radio Ginseng – das sind reife und sehr reife Menschen, die Sendungen produzieren“. Es hat im positiven Sinne alle Offenheit und Individualität von unkommerziellen Radio, aber in einer Professionalität, die ich dort noch nie so hörte.
Von Vergessenem
Madame las nicht Kant, sondern Michael J. Sandel über Kant. Komplett vergessen hatte ich, dass ich in meinem Studium politischer Philopshie natürlich auch einst Sandel und seine Rawls-Kritik las. Komplett aus den Augen verloren. Jetzt ist er in Harvard und war „einflussreichster Ausländer in China.“
Über vergessene Künstler schrieb der Guardian: „‘That’s it? It’s over? I was 30. What a brutal business’: pop stars on life after the spotlight moves on“ (Gefunden via Anke Gröner)
Anke Gröner schrieb auch einen Wikipedia-Artikel.
In Südfrankreich war es noch heißer als in Berlin oder in Italien.
Kellerkind war in Wittenberg.
Karens Europa-Nachtzugreise machte Zwischenstation in Athen.
Herr Rau bloggt Tagebuch.
Zu recherchieren: Hat Kant je etwas zum Königsberger Brückenproblem geschrieben?