Angekommen im Hotel in Tallinn.
Inzwischen genutzt: zwei Fernzüge (Berlin->HH, HH->Travemünde), zwei Fernfähren (Travemünde->Helsinki, Helsinki->Tallinn), zwei Hoppserfähren (in Travemünde), eine S-Bahn (Berlin), eine U-Bahn (Helsinki), acht Trams (Helsinki), zwei Linienbusse (Travemünde, Helsinki), zwei Shuttlebusse (Travemünde, Helsinki) und einiges zu Fuß gelaufen.
Wal, da bläst er!
Nachzutragen bleibt der Schweinswal. Da fuhren wir insgesamt 32 Stunden kreuz und quer über die Ostsee. Und wo sahen wir einen Schweinswal: Travemünde-Hafen. Immer wieder an der selben Stelle: kurz auftauchend, Rücken und Flosse zeigend und wieder abtauchend. Weniger Minuten später dasselbe Spiel.
Rentierdöner
Ich muss zugeben, meine Vorstellung von Helsinki war bisher nicht-existent. Insofern war alles neu, aufregend und überraschend.
Angefangen bei den Felsen. Helsinki ist in Schären hinein gebaut. Schon bei der Einfahrt in den Hafen hielt die Fähre immer wieder auf Felsen im Meer zu, nur um dann 10 Meter an ihnen vorbei zu gleiten. Ich staunte, dass dies geht, ohne das komplette Schiff unten aufzureißen. Aber wir kamen unbeschadet an.
In der Stadt selber dann immer wieder Felsen im Stadtbild. Oder wir kamen unvermittelt am Meer an. Eine Stadt in der immer wieder Felsen oder Meer sind – daran kann ich mich gewöhnen.
Wir begannen dort, wo alle beginnen. In der Innenstadt. Die erinnerte in ihren durchgehenden Klassizismus wechselnd an Potsdam oder St. Petersburg, Der Klassizismus reichte direkt an den Hafen. Im Hafen, dort wo einst Industrie war, befindet sich im Jahr 2024 ein einfrig genutztes Freibad. Wir tranken in der benachbarten Rooftop-Bar mit Blick auf Freibad, Hafen und Dom alkoholfreie Cocktails.
Die Reisegruppen waren auch da. Mit dem Kreuzfahrtschiff gekommen? Für Europa-in-sieben-Tagen liegt die Stadt ja eigentlich zu fernab von allem. Auch anwesend: Die Anbieter für Reisegruppenbedarf. Sie boten 50 shades of Lachs (Wow!), Lachssuppe, Rentierfleisch mit alles (einschließlich als Füllung für den Döner), Bärenschmalz, gerne auch Weihnachtsmannmerchandise und Elchfiguren.
Töölön torni
Man möchte nur ein preiswertes Hotel buchen und landet in einer Attraktion an sich. Die Töölön-Türme wurden in den 1950ern als Schwesternwohnheim gebaut. Inzwischen dienen sie als Studierendenwohnheim und Hotel. Alles, wirklich alles, an den Türmen ruft einem Bauhaus entgegen: Klare Formen, geometrische Muster, dazu die klassischen Baumateralien Holz, Stein, Metall. Allein den Frühstücksraum mit seinen vielfachen Mustern könnte man in einen Stadtführer aufnehmen.
Und dazu, für einen Deutschen wahrlich ungewohnt. Es war größtenteils originalgetreu erhalten (inklusive zum Beispiel der Türklinken), aber in einem Top-Zustand, den man wohl nur erreicht, wenn man etwas dauernd pflegt. Behutsam modernisiert: aber vieles wirkte wie Modernes Leben in den 1950ern sich wohl anfühlte.
Passend dazu der Stadtteil Töölö, der in wenigen Jahren entstand. Zumindest dort wo wir waren eine durchgehende 1950er-Jahre-Bebauung in schön aufzubieten hatte. Dazu gehörten Wandreliefs, Kioske in geschwungenen Formen, zahlreiche Fahnestangen an den Häusern (?!?) und spektakuläre (ehemalige) Tankstellen.
Kivi
Ich las: Helsinki wird regelmäßig als eine der lebenswertesten Städte der Welt gewählt. Nach meinem oberflächlichen Eindruck wundert mich das nicht: Felsen, Meer, alles funktioniert, die Menschen sind durchgehend nett und höflich. Selbst das jugendherbergsartige Frühstück in den Töölön Towers hatte eine Auswahl und Qualität, vor dem sich die meisten Hotels verstecken müssten.
So gingen wir des Abends zum Sibelius-Park und zum Strand. Wir passierten eine Menge Straßenmarkierungen, die uns vollkommen unauffällig erschienen und den Berliner Normalzustand hatten. Auf dem Rückweg trafen wir ein zwei-Mann-Puderkommando, die jeden Zebrastreifen, jede Kreuzberger-Polster-Markierung nachzogen.
Aber wie wir wissen: gute Leben schreiben schlechte Geschichten und gute Geschichten handeln meist von schlechten Leben. Lebenswerte Städte sind nur selten spektakulär.
Eine Ausnahme bildet die unterirdische Stadt. Seit den 1960ern baut Helsinki unterirdisch im Fels. Anfangs für den Fall, dass die Russen kommen und unterirdische Bunker benötigt werden. Heute auch soweit ich verstand, um Energie zu sparen, aus Schutz vor den Elementen und um Platz zu sparen. Und natürlich weil es geht: im Berliner Schlamm wäre eine unterirdische Stadt nicht möglich.
So gibt es ein Hallenbad im Fels (leider im Juli) geschlossen oder die Temppeliaukion kirkko, die in den 1960ern in den Fels hineingebaut wurde.
Selten war ich in einer Kirche, in der „der Schöpfung nahe sein“ so unmittelbar funktionierte.
Sauna – Saun
Überall Saunen in Helsinki: Die Töölön torni hatten alleine vier Saunen. Jeweils in jedem der beiden Türme jeweils eine für Männlein und Weiblein.
Wenig unterschied in Tallinn. Unser Hotel begrüßte uns mit einem Schild zur „Saun“. Wenn wir vom Hotel in die Altstadt gehen, laufen wir durch das ehemalige „Saunator“ – historisch benannt nach einer Sauna in seiner Nähe.
Uns brachte die Megastar. Zwei Stunden mit dem Schiff von Helsinki nach Tallinn. Im Gegensatz zum „ein Shuttle Bus fährt sie durch den Frachthafen. Sollten sie dort zu Fuß gehen werden sie unmittelbar von einem Container erschlagen“, war der Einstieg nobel. Die Megastart wirkte auf mich wie eine Flughafenlounge in schön – dieselbe Art von Shops, Restaurants und Lounges – aber mit genügend Sitzplätzen für alle und alle waren entspannt, denn sie wussten ja, wann sie ankommen würden.
Wir allerdings verbrachten die Fahrt auf dem Sonnendeck, können zum ganzen Entertainment wenig sagen.
Sign of the Times: Die Schiffsdurchsage, dass wir gleich finnische Gewässer verlassen und dann die interessanten Sachen im Shop verkauft werden. Drei Minuten später lag das Flaggschiff der finnischen Küstenwache auf der Grenze. Etwas später, in estnischem Gewässern, patrollierte die estnische Marine.
Infoveritas
An Bord gelesen: den Rest von The Editors (kostenlose Vorabkopie). Harrison baute ein Stephen-King-artiges fulminantes Finals auf: die guten und die bösen haben sich alle gefunden. Es kommt zur finalen Auseinandersetzung, die an mehreren verbundenen Orten spielt. Und dann franst es aus, wird lahm. Dennoch: sehr schönes Buch und die Wikipedia in ihrem sein erschreckend gut getroffen.
Christiane über Löffellisten und Holzskulpturen: Bucket List.
Kellerkind zündete in Frankfurt eine Kerze an.
Wie faszinierend! Helsinik wäre vielleicht auch mal für mich eine Reise wert!
Alleine die unterirdische Stadt … ich meine mal irgendwo gelesen oder gesehen zu haben, dass das Hallenbad im Kriegsfall als Trinkwasserspeicher genutzt werden kann.