24-09-17 Vespermusik – Breslau Anno 1650

Der Wind zerriss eine Fahne vor dem Möbelhaus.

Der Subaru steht weiter vor der Werkstatt. Wird es die Benzinpumpe sein? Lässt sie sich reparieren? Und wie teuer wird es werden? Das liebe Autobesitzer, wird das demnächst das Telefon verraten.

Madame war beim Sportmopsen im Park. Neue Übung, quer durch die Gruppe: der akzidentelle gegenseitige Nasenstüber. Augen auf bei der artistischen Dehnübung.

Wohnungsgeschichten aus dem Bekanntenkreis. Einer jungen Familie wurde wegen Eigenbedarf gekündigt. Und damit das emotional überzeugend wirkte, lief die Eigentümerin gleich mit einer handvoll kurzhaariger breitschultriger Männer auf, als sie die Kündigung aussprach.

Am Wochenende mausrutschte ich beim Internetbanking und landete auf LinkedIn. Hartes Schlucken als ich den Post las „Ich, weiblich 33, ohne Kinderwunsch, suche Job..“

Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob die Uni-Mathematiker nicht einfach nur die Studierenden veralbern wollen.

Zu Beweisen ist, dass im Ring (Algebra) der Satz gilt:

\[ 0 * a = a * 0 = 0 \]

Und der Beweis lautet:

\[0 = 0 * a – 0 * a = (0 + 0) * a – 0 * a = 0 * a + 0 * a – 0 * a = 0 * a \]

Letztens wurde ich gefragt, was in einer Mathe-Klausur so für Aufgaben kommen. Ich hatte Probleme, es beschreiben zu können.

Mit ernst darüber reden, in welchen Ländern man Urlaub machte, die heute nicht mehr zugänglich sind. Russland = unmöglich. Georgien = schwierig. Syrien = unmöglich. Israel = oh je.

Dabei gehört: die Geschichte des Völkermord-an-den-Armeniern-Engagierten, der extra den teuren unbequemen Lufthansa-Flug in den Kaukasus buchte, um nicht in Istanbul zwischenlanden zu müssen. Und dann fiel Lufthansa aus, die Airline buchte von sich aus auf Turkish Airlines um. Immerhin, er wurde nicht verhaftet.

„Zettelkasten“ ist ein deutsches Fremdwort im Englischen

Während Madame viel Kultur machte, machte ich ein wenig Kultur und schreibtischte noch etwas: Stromvertrag suchen; Zugang zu einem Portal rekonstruieren, den ich 2022 über den Arbeitgeberwechsel verloren hatte; Obsidian lernen.

Es ist mir etwas peinlich, aber ich nutze mit Obsidian eine Wissensorganisations- und Zettelkasten-App, bei der ich kaum wusste wie sie funktioniert.

Würde Niklas L das wissen, würde er im Grab vor sich hinmurmeln „Es gibt kein handelndes Subjekt. Die Gesellschaft konstituiert sich selbst.“

Über das Wochende lernte ich mehr zu Obsidian. Jetzt fehlt Praxis. Und die Entscheidung wie ich die Daten über Rechner und Handy und Spielzeug synchronisiere:

Einfach wären OneDrive oder Dropbox, aber die mag ich beide nicht wirklich. Die cool Kids nutzen Github. Aber das macht gar keinen Spaß mehr, sobald ein Handy beteiligt ist. Die nicht ganz so coolen Kids nutzen Nextcloud. Eigentlich möchte ich über eine NAS gehen – aber die steht noch nicht. Sie bedeutet erstmal am meisten Aufwand, sowohl was mein Engagement als auch die Kosten angeht.

Vermutlich maile ich mir einfach weiter Dateien.

Kein Dackelrennen

Da Subaru vor der Werkstatt stand, blieben die Latifundien sich selbst überlassen. Scarman’s Himalayan Musk musste unbestaunt weiterwachsen. Das Dackelrennen Bärenklau fand ohne unseren Beifall statt.

Wir feierten das erste Berlinwochenende seit März. Es entwickelte sich zu Kulturrausch mit einem Theaterstück, zwei Konzerten, zweimal essengehen und ein Museumbesuch.

Freitag: Theater, Shakespeare, war eh geplant.

Samstag Nachmittag: Titans Rising: Vespermusik Breslau Anno 1650. In einer glücklichen Fügung aus Engagement und Mäzenatentum veranstaltet die Kirche am Lietzensee regelmäßig kostenlose Konzerte mit Alter Musik.

Eher zufällig stolperten wir in die Saisoneröffnung. Klaus Eichhorn hat Werke des Warschauer und Brelauser Kapellmeisters Marcin Mielczewski aus der Sammlung Böhm im Archiv der Staatsbibliothek ausgegraben. Er stellte diese zu einem Porgramm zusammen, dass 1650 bei einer Vesper in einer Breslauer Hauptkirche gespielt haben könnte.

Wahnsinnig gute Sänger, drei entzückende Mitglieder eines Knabenchors, ein Orchester mit zwei Zinken (Zinks?) und vier Posaunen. Dazu diese besondere Kirche, der Enthusiasmus aller Beteiligten. Hach, ach, hach.

Samstag Abend, das nächste Konzert. Dieses überließ ich Madame, ich wollte Privatbürokrempel loswerden.

Madame fuhr zum Musikfest Berlin: Exaudi (laut Program Vokalensemble mit Affinität für die extremen Ränder Alter und Neuer Musik) sangen chromatische Renaissancemusik. Beeindruckend: die Werke von Nicola Vicentino. Der führte im 16. Jahrhundert eine Unterteilung der Töne in Untertöne ein, die sich sonst erst in der neuen Musik des 20. Jahrhunderts etablierte. Formal strikte Renaissancemusik, mit neutönerischen Elementen. Es muss groß gewesen sein.

(Mehr Theorie zu Vicentinos Madrigals – als Video)

Dann ins Jüdische Museum: Sex. Jüdische Positionen. Soviel Input an einem Wochenende kann niemand verarbeiten. Dazu später mehr.

Kartoffeln in Asche und Rauch

Frau Brüllen buddelt immer noch:

[M]ein Hauptlearning ist: wenn ich mal eine Leiche oder überhaupt etwas zu entsorgen habe, werde ich es definitiv nicht im Wald vergraben. Das ist eine unendliche Scheissarbeit, brutal anstrengend, geht endlos und andauernd kommen Leute vorbei.

Als Kind wollte ich Straßenbahnfahrer werden, um genau diese Straßenbahn zu fahren. Neid ist gar kein Ausdruck.

Ich las in sechs verschiedenen Blogs, dass die Blogger den Raab-Boxkampf gesehen haben. Alle sechs sind sich sicher, dass Stefan Raab niemand mehr interessiert.

Das Lumpenpack schaute in den Abgrund der Verzweiflung. Es kam mit schlechter Laune, aber sehr entschlossen zurück: Kruppstahl, Baby.

(via Heiko Bielinski)