Der gescheiterte Ampeljongleur der Dominicusstraße zog zum Innsbrucker Platz. Gute Wahl: Mehr Autos, die zusehen müssen, weniger Fußgänger, die ihm durch die Vorstellung rennen.
Polnisch redende Männer standen auf dem Dachboden und auf dem Gerüst. Madame redete mit ihren Waden, die am oberen Ende unseres Schlafzimmerfensters erschienen. Sie erzählten, dass sie neu sind und jetzt endlich einmal die Baustelle fertig machen wollen.
Fingers crossed. Vor dem Herbst-Herbst hätten wir gerne ein Dach über dem Kopf und keine Folie.
Nachdem die Mathe-Grundlagen-Klausur bestanden ist, warf ich einen ersten vorsichtigen Blick in die Lineare Algebra. Gute Nachricht: Mein Mathe-Lesetempo hat sich in den letzten anderthalb Jahren deutlich erhöht; meisten ahne ich beim ersten Anblick der Formel zumindest was sie von mir will.
Es beginnt mit „Jetzt stellen wir uns mal ganz dumm und fragen: Was ist ein Plus?“
Schlechte Nachricht: Mir scheint, die Stoffmenge hat gegenüber dem letzten Modul zugenommen. Wenn ich grob überschlage muss ich jetzt ein halbes Jahr lang zwei Kapitel pro Woche durcharbeiten. Ui.
Immerhin kann ich jetzt kenntnisreich „Abelsche Gruppe“ in ein Gespräch einfließen lassen und verstehe sogar was ich sage.
Madame bestellte ein.
Ich kaufte Speiselöwenzahn.
Sekundärvampire
Weiter versuche, ich Sekundärliteratur zu lesen, um zu verstehen, was über uns hereinbrach mit den Fearless Vampire Killers. Der Film, der manchmal klassischer Körperslapstick ist, mal Avantgardekino der Vorkriegszeit, dann wieder B-Movie-Horrorflick oder offensichtliches Vorbild für viele spätere Kostümfilme und Tanzszenen; und jede Menge osteuropäischer Shtetl-Romantik.
Was ich nicht wusste, was aber bei Nachdenken offensichtlich ist: wie sehr Vampirgeschichten und die ewigen antijüdischen Vorwürfe der Ritualmordlegende zusammen hängen. Wie sehr zum Beispiel im Filmklassiker Nosferatu antisemitische Klischees vorkommen. Wie sehr Polanski also im Film auch dieses Stereotyp auf den Kopf dreht, indem die unbeholfen-menschlichen Juden Opfer der teutonischen Vampire werden.
Mich wundert, wie selten, der Marc-Chagall-Bezug auftaucht. Herrje, die Protagonisten heißen sogar Shagal. Und das Szenenbild sieht mehr als einmal aus wie direkt aus einem Chagall-Gemälde entsprungen. Oder auch hier.
Leicht fassungslos bin ich weiterhin, dass deutschsprachige Auseinandersetzungen bestenfalls kursorisch streifen, dass die Geschichte im Shtetl spielt; einem in der ersten Hälfte des Films die Szenerie der jüdischen Legenden links und recht anspringt. Selbst die Bundeszentrale für politische Bildung hält es für bemerkenswerter, dass Polanski gerne Ski fuhr und seine Stunts selber drehte, als dass dort Teutonen Juden umbringen.
Teilweise ist das erklärbar, weil sich das deutsche Wissen über das Judentum sich im Wesentlichen auf die Shoah und den Nahost-Konflikt erstreckt- Im Zweifel erschrecken Deutsche immer, wenn sie „Jude“ sagen müssen. Anderseits muss man nur Polanski zuhören:
“In the film there’s an Eastern European culture which was desolated by the Germans and that’s been killed off for good thanks to Polish Stalinism,” Polanski told Positif. “It’s the kind of thing that you can see in the work of figures like Chagall and Isaac Babel, and also in certain Polish paintings. This culture, which never reappeared after the war, is part of my childhood memories. There just aren’t any traditional Jews in Poland any more.”
Nein, halt, eine deutschsprachige Besprechung fand ich, die sich des Themas annimmt – und das obwohl sie den Film nur streift: »No Jews were harmed in this movie« in der Jüdischen Allgemeinen. Mit sehr vielen weiteren Filmtipps, die wir leider jetzt alle sehen müssen.
Teure Woche
Der Fahrradmeister war klar, und ich folge: Nach 24 Jahren ist es gut mit Deinem Fahrrad des Theseus. Langsam können wir es nicht mehr zusammenflicken, ohne jedes Jahr ein halbes neues Fahrrad zu bauen. Wenn der Fahrradmeister spricht, sage ich „Aye, aye“, schlage die Hacken zusammen und tue wie mir angewiesen. In diesem Fall also denke ich über ein neues Fahrrad nach.
Nächster Tag, ich äußere meine Ideen. Der Fahrradmeister winkt ab. Na, jetzt nicht, jetzt hat er es ja gerade wieder fahrfähig für den Winter gemacht. Vielleicht im Frühjahr. „Aye, aye! Neues Fahrrad erst im Frühjahr.“
Überraschende Entdeckung: Auch der ADAC hat einem Hammer in seinem Werkzeugrepertoire und manchmal haut er auch einfach mit dem Hammer auf das Auto. Half aber auch nicht. Der Subaru erlitt den Klassiker der Autogas-getriebenen Autos: Probleme mit der Benzinpumpe, weil wir diese und das Benzin zu selten nutzten.
Leider benötigen wir diese Benzinpumpe, um das Auto zu starten und die ersten Minuten zu fahren, bis die Motortemperatur hoch genug für Gasverbrennung ist. Ohne Benzinpumpe kein Fumb.
Und so spritzt der freundliche Herr Benzin direkt aus der Sprühdose in die Verbrennungskammer, bis der Motor auf warm genug war, auf Gas lief. „Jetzt zur Werkstatt fahren und ja nicht zwischendurch das Auto anhalten. Der springt sonst wieder nicht an.“
Der Subaru steht vor der Werkstatt, mehr erfahren wir im Laufe der Woche.
Immerhin hatten wir keine Hemmungen, den Schlüssel in den mäßig gesicherten Werkstattbriefkasten zu werfen. Es ist ja gerade ein Auto mit integrierter Wegfahrsperre.
Sommerschlüssel Raunachtkomödie
Im Laufe des Sommers waren wir das ein oder andere mal am Insulaner. Selten aber schafften wir drei Besuche in zwei Tagen.
Donnerstag Abend: gemeinsamer Saisonabschluss. Ich aus dem Home Office, Madame direkt aus der Hafenstadt zurückkommend. Trotz mäßigem Wetter war das Schwimmbecken voll, viele wollten die letzte Gelegenheit nutzen. Wir kosteten es aus, bis wir zur Schließzeit aus dem Becken geworfen wurden.
Freitag Nachmittag: Der Saison-Kabanen-Schlüssen wollte zurückgegeben werden. Das Wetter wurde eher als gräuslich beschrieben, Sturm und dauernd erweckte der Himmel den Anschein, als würde er gleich in Starkregen ausbrechen. Aber wo ich schon da war, wollte ich auch schwimmen. Nass werde ich dabei ja eh.
Und so hatten wir ein 50-Meter-Becken zu viert, am Ende war ich alleine. Und weil es so problemlos mit dem Geradeausschwimmen funktionierte, es sonst aber auch wenig Entertainment gab, zählte ich ausnahmsweise Bahnen. Ich schwamm eine halbe Kaltmamsell, dann musste ich los; zurück nach Hause, bevor es wieder zum Insulaner ging.
(Damit insgesamt 37 Saisonkabinennutzungen, wie bezahlten also 2,16€ pro Nutzung).
Ein weiterer Saisonabschluss: die vorletzte Vorstellung der Shakespeare-Company auf dem Freibadgelände. Der Sturm ließ nach, das Wetter nicht mehr ganz so garstig. Auf einer Skala von Sommer zu Weihnachten aber schon ein gutes Stück Richtung Weihnachten:
Twelfe Night , auf Deutsch Was ihr wollt, wurde aufgeführt. Sie liebten und sie verwechselten sich, die Menschen sind emotional, närrisch, großmütig und durchtrieben wie sie halt sind. Billy, alter Menschenkenner.
Die Inszenierung älter, die Shakespeare Company hat in den letzten Jahren noch einiges dazu gelernt, aber wie immer unterhaltsam, nachdenklich machend, dezent modernisiert. Wie immer schöne Abende.
Eating the dogs eating the Mozzarellaplatte
In Springfield they’re eating the pets. (via Tröt) Gleich mal ins Kaninchenloch gefallen und entdeckt, dass das Internet echt großartig sein kann. Abgefahren: The Kiffness wird in genau einer Woche ein Konzert in Berlin spielen. Bedauerlich: Es ist ausverkauft.
Hochinteressant, das zu den Vampiren! Ich habe den Film auf festplatte und werde ihn bald wieder anschauen; zuvor habe ich ihn das letzte Mal vor mehr als dreißig Jahren gesehen. Und damals fiel mir das mit dem Judentum nicht auf, der Stetl-Hintergrund – aber allein durch die Beschreibung hier und meien Erinnerung scheint mir das so offensichtlich zu sein, dass ich mich wundere, wie man das mit etwas Filmerfahrung und Geschichtswissen übersehen kann, also: nicht ich damals, aber Profis.