In Wesselburen wurde eine wurde Montagnacht eine Scheibe an einer Bushaltestelle beschädigt. Die Polizei sucht Zeugen. Ich bin erst seit Dienstag in der Gegend, habe also ein Alibi.
Es ist zu trocken. Der vor zwei Wochen gewaschene Subaru wird von einer zentimeterdicken Schicht aus Pollen, Staub und Insekten bedeckt.
Während der Pollensammler in Dithmarschen steht, nutzt Madame den ÖPNV, um nach Latifundinium zu kommen. Besonders auf der Last Mile ein Abenteuer, aber sie bestand es erfolgreich.
Gesprächsfetzen, die im Supermarkt an mir vorbeifliegen: „Das sind ja alles Zugezogene“, der Betonung nach war das weder als wertfreie Beschreibung noch als Kompliment gemeint.
Vor dem Eisregal: Klein Hannes hat sich eine Packung Eis ausgesucht. Mutter nimmt sie ihm wieder weg „Wir wollten doch gemeinsam darüber reden, was für Eis wir nehmen.“ Ergebnis: Mutter nimmt ein Eis und redet dann eine Minute auf Hannes ein, warum das von Mama gewählte Eis viel sinnvoller ist. Aber der rhetorisch unterlegene Hannes durchschaut das Spiel, nimmt sich einfach nochmal das erste Eis.
Vor dem Bäcker steht ein Van „Familienbetrieb Sönnrichsen.“ Darauf ein Bild eines Krabbenkutters. Wenn wir unsere Brötchen dort kaufen, wo auch die Krabbenfischer sich ihr Frühstück holen, dann scheint mir das gut.
Wasted Love
Ich sah das ESC-Halbfinale und ich war unterwältigt. Irgendwie scheint sich ganz Europa auf die selbe Pop-Dance-Formel an Songs geeinigt zu haben. Und ich schaue den Event wegen des wilden Stilmixes und der verschiedenen Herangehensweisen. Wenn ich jetzt 20 mal denselben Song in unterschiedlichen Sprachen höre, macht das keinen Spaß.
Einzige Lichtblicke: Hazel Bruggers AOL-Geschenk-CD-Gedächtnis-Kleid. Und ausgerechnet der österreichische Beitrag: der erfrischend androgyne JJ bringt große Oper auf die Bühne. Ich freue mich, dass Wasted Love auch bei den Wettmacher als Mitfavorit für den Sieg am Samstag gilt. Irritierend: der diesjährige selbstironisch-großartige Balkan-Pop-Song wird von Schweden ins Rennen geschickt..
Mittelmärkische Tidensimulation
Ich hatte eine Idee – und derzeit weder Energie noch Plan für die Umsetzung. Aber manchmal hilft es ja, etwas laut auszusprechen, um es in die Realität zu bringen: der Tidenbrunnen. Schon langsam fände ich Wasser im Garten nett, habe aber wenig Lust, mir aus Versehen eine Mückenzuchtanlage anzuschaffen. Fische kommen auch nicht wirklich in Frage: entweder wir müssten deutlich öfter anwesend sein, oder gleich einen Teich in einer Größe anbauen, in dem die Tiere mehr oder weniger autark leben könnten.
Aber jetzt kam mir, natürlich beim Blick auf die Tidenuhr, der Gedanke: ein Brunnen mit Gezeiten, der einfach alle 12,5 Stunden komplett leer läuft. Es bedarf eines Beckens, vielleicht gefüllt mit Kies, soll ja nicht viel Wasser sein und eines unterirdischen Reservoirs. Ein Ablauf sorgt dauernd dafür, dass Wasser vom Becken ins Reservoir fließt. Eine zeitgesteuerte Pumpe – mit etwas weniger als doppeltem Volumen des Überlaufs – pumpt sechs Stunden Wasser nach oben, macht dann 6,5 Stunden Pause. Das Becken füllt sich langsam bis zum Maximum, leert sich dann langsam wieder.
Einfach durch die Waschküche und dann raus
Beim Kaptain saß ich im Garten, lies mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Die frisch bestimmte Flatter-Binse im Pflanzkübel war grün, Singvögel sangen bestimmungsgemäß und das Laub raschelte im Wind.
Der Kaptain erinnerte sich an den ehemaligen Garten im Uetersen ihrer Kindheit. Ein klassischer Selbstversorgergarten mit Wurzeln (Karotten), und Bohnen; ein Mirabellenbaum, ein Pfirsichbau. Grünkohl, von dem die Raupen abgepflückt werden mussten, Hühner, eine unzähmbare Brombeere, fast unzähmbare Erdbeeren und einige Reihen Spargel.
An Spargel, Brombeere und Rankpflanzen (Erbsen? Bohnen?) sowie das leere Stallgebäude kann ich mich noch erinneren. Diese hielten bis in die 1980er durch. Und ich erinnere mich an einen ganzen kleinen Keller voller gefüllter Weckgläser mit ehrlich gesagt zweifelhaften Inhalten.
30 Grad – 30 Gäste
Ein Großteil der Berliner Freibäder wird dieses Jahr nicht geheizt. Das bedeutet aktuell Wassertemperaturen von etwa 16-20 Grad und soweit mir anekdotisch erzählt wurde, leere Becken.
Ich hingegen bin gerade im Schlaraffenland, dass durch Raffinerieabwärme geschaffen wird: 30 Grad im Freibad Hemmingstedt, dafür auch 30 Gäste im recht kleinen Becken.
Nachdem ich einen Traktor überholte, längere Zeit hinter einem Futtermittel-LKW herfuhr und dann noch ein Pferd überholte, kam ich im Freibad an. Ein Gelände aus dem Bilderbuch: Hineingebaut in einen kleinen Abhang, am Rande des Dorfes zur Eisenbahn hin. Ein nettes Café, Abreißkarten, ein 25-Meter-Becken – ein Kinderbecken und ein Fünf-Meter-Sprungturm. Alles ist 50 Jahre alt, alles funktioniert – und es wirkt immer noch genau so, wie sich Planer der 1970er das vorgestellt haben.
Außerdem: einer der wenigen Stellen im Ort, an dem man zwar die Güterzüge vorbeirauschen hört, nicht aber die Raffinerie sieht. Gelebte Träume einer anderen Zeit.

Beate aus Hamburg, Ronja aus Limassol
Wir waren im Auto unterwegs Richtung Rendsburg. Der Kaptain erinnerte sich, dass sie in den 1950ern die Rendsburger Hochbrücke mochte. Denn es bedeutet, dass der Kaptains-Kaptain nahe war. Die ganze Familie fuhr von Uetersen aus mit dem Zug nach Rendsburg. Dort wartete bereits das Küstenmotorschiff Delphin (Delphin II, Delphin III und Delphin IV über die Jahre), nahm die ganze Familie an Bord und brachte an Nord- und Ostsee Waren aus.
Wir aber wollten gar nicht auf die Ostsee und auch nicht über die Hochbrücke: Wir wollten unten durch. Einmal im Leben die Rendsburger Schwebefähre benutzen. Eine von Acht Schwebefähren weltweit, die noch existieren (sagt meine vage Erinnerung an den Wikipedia-Artikel) und über den Kanal schweben.
Aber ach, sie fährt nicht mehr. Wir standen vor dem „Außer Betrieb“-Schild, sahen noch zu wie ein DHL-Laster und ein weiterer PKW wendeten, und campierten und Gaststätte nebenan. Es gab Kanalblick, alkoholfreies Bier und gutes Essen.
Der Kellner klärte uns auf: Elektrik an der Fähre kaputt. Seit sechs Wochen und noch bis Ende Juni. Das ist schade. Auch ein wenig Schade war, dass wir nun am Zaun keine zwei Meter vom Kanal entfernt saßen, und die Schiffe doch spärtlich blieben. Es kamen das Containerschiff Beate (deutsche Flagge) aus Dänemark nach Hamburg, die Ronja (zypriotische Flagge, mehr Details nicht verständlich) und die Lady Hedwig (niederländische Flagge) aus Estland auf dem Weg nach Amsterdam.
Auf dem Rückweg entdeckt: Es gibt eine wunderbare Straße, bei der linkerhand, nur durch eine Böschung getrennt, der Nord-Ostsee-Kanal liegt und rechterhand, nur durch eine Böschung getrennt, die Eider. Die K47, der Parkplatz heißt „Am Moltkestein.“
Vanderbei (2020), Strang (1999)
In der Vorbereitung der Bachelorarbeit stellte sich ein Missverständnis heraus. Ich dachte: mein Lehrstuhl muss mich noch beim Prüfungsamt anmelden und (schwaches und) hat unabhängig davon noch inhaltliche Fragen. Der Lehrstuhl meinte es allerdings als starkes und: „Erst wenn die Fragen zufriedenstellend beantwortet sind, melden wir Sie an.“ Das ist inhaltlich durchaus berechtigt und sinnvoll, zerschießt mir aber trotzdem gerade etwas meinen inneren Zeitplan.
Naja, solange ich noch unterwegs bin und nur das techische B-Team dabei habe, kann ich erstmal nur über die Fragen nachdenken und Antworten reifen lassen. Und weiter Mathe lesen und sehen.
Robert J. Vanderbeis Linear Programming – Foundations and Extensions entpuppt sich dabei als von mir gesuchte missing link zwischen den BWL-Erklärbüchern und den hochfliegenden Mathematik-Ansätzen. Wikipedia beschreibt Vanderbei als Mathematiker1, der in Princeton inhaltlich den Lehrstuhl besetzt, an dem ich in Hagen meinen Bachelor schreiben will – und das passt tatsächlich sehr gut.
Wenn die Konzentration nachlässt, ich mich nicht mehr in der Lage sehe, geschriebenen Text durchzuarbeiten, bleibe ich meinem neuen Freund Gilbert Strang und dessen Linearer-Algebra-Vorlesung treu. Diese stammt von 1999 an der MIT und steht als OpenCourseWare zur Verfügung. Nachdem Lektion 9 (Unabhängigkeit von Vektoren) gut lief, dachte ich, ich springe mal zur 20 Cramer’s Rule / Inverse Matrix) und staunte und verstand wenig. Also zurück zur Vorlesung 3: Matrizenmultiplikation. Die ist in ihren Grundlagen glaube ich sogar Schulstoff, hier aber in fünf Geschmacksrichtungen erklärt und mit den Inversen. Meinem Grundlagenverständnis tut sowas gut,
Den netten Partygesprächs-Stopper-Satz gelernt: All key equations in math have a zero on the right hand side.
Auch noch entdeckt. Gilbert Strangs Abschiedsvorlesung von 2023, die er im Alter von 88 Jahren hielt. Die einführnede Lobhudelei auf Strang startet vollkommen zu Recht mit Strangs „Dignity and humilty“. Eine Eigenschaft, die Strang dann sofor beweist, indem seine Abschiedsvorlesung sich inhaltlich nicht um seine fancy-pancy-Lieblingsnische dreht, sondern die absoluten Grundlagen des Fachs in einer Einführungsvorlesung behandelt.
Ich musste doch lachen, als in der Lobhudelei auch der Satz fiel „Whether you are a colleague right next door or a stranger that landed in the hallways,, one feels that Gil is your old or new best friend.“ Meine Rede!
south spielt mit dem großen Halluzinator
Einem Nebensatz in der Gilbert-Strang-Abschiedsvorlesung entnahm ich, wie eng Lineare Algebra und Large Language Modelle (LLM, umgangssprachlich KI) zusammenhängen. Ein ganz neues Rabbit Hole tat sich auf. Aber erstmal Bachelorarbeit. Als vorläufigen Endpunkt meiner Beschäftigung bat ich meinen Halluzinator zwei Bilder zum Thema zu erstellen.
Es kam wie geahnt: die „Variante Ölbild“ sieht schick aus, bei spärlicher Information. Die „Variante Infografik“ wirkt auf den ersten Blick informativer, ist auf den zweiten Blick komplett gaga.


- Plus diesen Satz auf den ich sehr sehr neidisch bin: In addition to his appointment in ORFE, he also has courtesy appointments in Mathematics, Astrophysics, Computer Science, and Applied Mathematics. ↩︎