Eine Schnecke hängt an einem Wildzaun. Im Hintergrund unscharf braunes Rapsfeld, dahinter grünes Weizenfeld und ein blauer Himmel mit einzelnen Wolken.

25-07-19 Ich werde dieses Tüchlein in Cassios Gemach verlieren

Ich liege auf dem Bett und denke an Julia. Langsam habe ich Ideen, wie ich die JuMP-Optimierung in der Julia programming language möglichst sinnvoll in Funktionen packen kann, so dass das alles nicht ganz so sehr nach der improvisierten Baumarktlösung aussieht, die es im Grunde ist und bis Ende August auch bleiben wird.

Ich freute mich, dass es auch anderen so geht: „Manchmal lege ich mich früher ins Bett, um über Mathe nachzudenken“ Ich fürchte allerdings, dies ist die einzige Gemeinsamkeit zwischen mir und Hannah Cairo.

Madame verbringt 40 Minuten auf dem Bahnhof Eichwalde. Strom kaputt. Der S-Bahnfahrer scheuchte sie aus dem Zug, solange der Batterie-Rest-Strom noch eine Öffnung der Türen ermöglichte.

Vor dem Nachbarhaus waren Gerüstbauer zugange. Aber anscheinend bauten sie weder ein Gerüst auf noch ein Gerüst ab. Aber wir freuen uns ja, wenn wir überhaupt Bewegung von Bauarbeitern sehen, selbst ganz ohne Baustelle.

Ich wehrte einen Montags-nach-dem-Urlaub-um-sieben-Uhr-morgens-Termin ab.

Es war ein Bürofreitag und ein Latifundiensamstag mit Berlinexkursion.

Ich las ein bißchen herum. In Granta blieb ich diesmal allerdings eher an der Biographie einer Autorin hängen „She is a part time climate justice organiser“ und freute mich an der Inner-Satz-Fallhöhe zwischen absoluter Weltrettung und Widrigkeiten des Alltags.

Sonst weiter in Wir schon wieder – 16 jüdische Erzählungen. Die Texte von Joe Fleisch und Marina Frenk. Beide spannend.

Der Fleisch- Text: Wie der prozionistische Reichskanzler Kroll Rumpelstielzchen und die anti-zionistische TV-Journalistin Gayle „FistAss“ Hasardeur aufeinandertrafen – der Schilderung einer Diskussion Kroll Rumpelstielzchen und einer amerikanischen AlArabiya-Journalistin dachte ich während des Lesens: Viertes Reich, eine Fernsehmoderatorin, die vor laufender Kamera kotzt, Gaza-Hamas-Vorträge mit Hitlerbärtchen – muss das alles sein? Muss wirklich der sprachliche Lautstärkeregler des Textes permanent voll aufgedreht sein? Dann aber stellte ich fest, dass unter der Oberfläche genug Substanz ist, um noch länger über den Text nachzudenken.

Marina Frenks Text Ein Versuch, sich zu verabschieden hatte mich sofort: Sprache und ihre seelische Auswirkung. Der Versuch, die Muttersprache, russisch, aus politischen Gründen nicht mehr zu reden. Changieren zwischen Politik und Poetologie mit Identität. Ich begann Frenk zu recherchieren: Stellte fest: Sie schreibt und schauspielert und macht Musik, und ich bin noch gespannter – es gelang mir aber nicht herauszufinden, ob sie jetzt gerade etwas auf einer Bühne macht.

Unterwasserscheinwerfer

Seit drei Jahren lädt der Insulaner zur Nacht. Der Insulaner selbst ist ein Trümmerberg, der nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. Dort befindet sich ein Park, ein Planetarium samt Sternwarte, das Insulanerbad und die Spielstätte der Shakespeare-Company.

Seit drei Jahren koopieren die drei zur Langen Nacht: das Schwimmbad bietet Schwimmen bis Mitternacht, Shakespeare bietet ein Sonderprogramm, das teilweise auf dem Badgelände stattfindet und ebenso die Sternwarte.

Wenn in unserem dritten Wohnzimmer so etwas stattfindet, wollen wir natürlich hin. Wir beobachten wie sich alles einspielt: die Sternwarte hatte große von innen beleuchtete Darstellungen der Planeten auf der Liegewiese platziert und ein mobilbes Planetarium aufgebaut. Im Bad gab es einen DJ und erstmals auch Unterwasserscheinwerfer, der Übergang zum Theater war offen, dort gab es die Bar und immer wieder auf der Bühne einzelne Szenen aus ihren Stücken.

Wir reisten aus der Mittelmark an und begannen beim Inder – Korma, Saag und Vindaloo. Am Nebentisch eine größere Familie, die wir später im Bad wiedersehen sollten. Dann ab ins Freibad. Entweder gleich mit Getränken in die Gastronomie-Liegestühle oder in die neue Saisonkabine und ins Wasser.

Wie geplante verdunkelte sich der Himmel, die Beleuchtung aus farbigen Scheinwerfern zeigte immer mehr Effekt. Halblauf lief Musik, der Fünf-Meter-Turm war geöffnet und die Schwimmer*innen freuten sich.

Zum Abschluss: zwei Szenen Othello bei Shakespeare. Die tragische Wendung des Stücks: Desdemona verliert ihr Taschentuch, Jago schiebt dies Cassios unter und Othello ist überzeugt, dass Desdemona und Cassios ihn betrügen, das Unglück nimmt seinen Lauf. Zwei Schaupieler, eine Schauspielerin, zehn Minuten und doch einmal das ganze Elend der Menschheit eindrucksvoll vorgeführt.

Marderparty Schmetterlingswolke

Die Schubkarre entdeckt eine zweite Karriere als Mini-Swimming-Pool, auf dem Rasen sind Schleimspuren der Schnecken und alles zusammen ist grün wie seit Monaten nicht mehr. Eine Woche Regen hinterließ Spuren im Garten.

Die Rosenblüten sind größtenteils abgeschlagen, die Erde ist einmal durchgeweicht. Aber jetzt ist wieder trocken und heiß, uns springt alles entgegen.

Wortwörtlich: Insekten. Kaum streife ich beim Wege-Mähen Stauden oder Gräser springen und fliegen sie empor. Eine unbedachte Bewegung und schon stehe ich in einer Wolke aus weißen, braunen, rötlichen und blaunen Schmetterlingen. Einmal mit dem Fuß durchs Gras und drei empörte Grashüpfer springen noch. Einmal den Lavendel angehaucht und sechs Hummeln hummeln herum. Es ist Insektenwetter.

Die Zahl der Schwalbenschwänze steigerte sich auf zwei. So schön.

Die/der Marder freut sich, dass der Subaru wieder da ist. Die Fußspuren aus Lehm auf Dach und Rückfenster deuten auf eine Party hin, die Verdauungshinterlassenschaften auf der Motorhaube ehrlich gesagt auch.

Der Bauer mähte das Rapsfeld. Am Himmel ein Rotmilan.

Kein Rotmilan.

Kobern-Gondorf-Prag-Ljubljana

Christiane erstand einen Comic von Brétécher und Monsieur eine Kettensäge

Der Halluzinator empfiehlt mir regelmäßig The Gleaners zu sehen. Ich freute mich, auch mal eine menschliche Empfehlung zu lesen: Gesehen: The Gleaners and I (2000) – Politische Nachlese

Karen reiste weiter: Turku-Sarajevo mit dem Zug. Folge 2: Prag und Folge 3: Prag – Graz – Ljubljana

Kubiwahn liest Judith Hermann auf tschechisch um Tschechisch zu lernen.

Plötzlich – kurz vor Kobern-Gondorf („Wo war Gondorf als die Westfold fiel?“) – habe ich ein starkes Gefühl der Großartigkeit. Damit meine ich nicht meine eigene Großartigkeit, sondern die des Lebens in diesem einen Moment. Ist es nicht großartig, abwechselnd lesend und aus dem Fenster schauend durch eine so schöne Gegend kutschiert zu werden?

Ich lese und staune: Der KI – Themenbuch – Verlag® bietet freien Autoren und Ghostwritern in der Jetztzeit die Möglichkeit eigene Klima bezogene Umweltbücher zu schreiben! Im Zeichen der Umweltzerstörung und der sich anbahnenden Klimakatastrophen ist es wichtig, dass viele Autoren mit ihren KI-Umweltbüchern die Menschen auf die kommenden Umweltveränderungen vorbereiten! (Mit Link. Ich halte euch alle für erwachsen und seelisch gefestigt genug, dass ihr das weder als Empfehlung noch als Werbung interpretiert.)

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