Weihnachten 2015 fuhren wir mit einem der letzten Nachtzüge der Deutschen Bahn, und dachten, wir werden nie wieder Nachtzug fahren können. Welch Irrtum.
Donnerstag wurde in Lörrach Käsegebäck gebacken, denn ein Familienfest rückte näher.
Nachdem ich meine Beschäftigung mit Mensch-Maschine-Schnittstellen beendet hatte, begannen wir das Packen. Es begann mit Vernichtung von Essensresten (Butter Chicken, Paprika, Frühlingszwiebeln, Käsekuchen) und setzte sich mit dem Heraussuchen von Kleidung aus.
Die Ruhe-vor-dem-Aufbruch – wenn alles fertig gepackt ist, aber der Zug noch nicht fährt – fiel über uns. Ungewohnt, dass diese um 20 Uhr stattfindet.
Anscheinend soll es mein Schicksal werden, am Home-Office-Tag privat am Büro vorbeizufahren. Ich winkte der Geschäftsstelle aus dem elektrischen 248er-Bus, der uns zum Bahnhof Südkreuz fuhr.
Donnerstag um 21 Uhr, Geschäfte geschlossen, Bahnhof halbdunkel – ein sehr anderes Erleben als mein normaler Mittagspausenaufenthalt dort.
In Lörrach wurde derweil Käsegebäck gebacken.
Der ÖBB Nightjet nach Zürich fuhr ein. Wir suchten Plätze 31 / 32 (unten) in Wagen 311, Liegewagen-6er-Belegung. Im Abteil unseres voiture couchette befand sich bereits eine bezaubernde franko-schweizer-Familie aus Geneva mit zwei Kindern auf der Rückfahrt aus dem Berlin-Urlaub. Die beiden Erwachsenen sprachen ähnlich kompetent deutsch wie wir französisch und so einigten wir uns auf englisch als Konversationssprache.
(Ehrlicherweise sprachen sie leidlich deutsch wie Madame französisch. Meine Sprachkenntnis ist nicht-existent. Ich freute mich einfach nur in den Sound der Sprache eintauchen zu können, wenn die Familie untereinander kommunizierte.)
Der Schaffner überzeugte uns, dass er uns morgen keinen Kaffee kochen muss, der Fuchs. Irgendwo in Südbrandenburg kletterten wir in unsere Schlafkojen und schlossen das Rollo. Während aus dem ein oder anderen Erwachsenenbett noch ein Handy leuchtete, war es bei den beiden Kindern (Alter: späte Grundschule, frühe weiterführende Schule) sofort komplett ruhig.
In Lörrach wurde derweil immer noch Käsegebäck gebacken.
Längerer Aufenthalt in Leipzig. Wegen Lok-Umkopplung ging zwischenzeitlich die Lüftung aus – es wurde schwül. Einschlafen kurz hinter Leipzig. Das Ruckeln war einschläfernd nicht aufweckend. Irgendwo in Sachsen gelang es der Lüftung auch, die tagsüber angesammelte stickige Luft aus dem Wagen zu blasen.
Irgendwann nachts in Frankfurt. Vom Tief- in den Halbschlaf. Kopfbahnhof, umkoppeln, Lüftung aus die Nächste. Nur noch im Halbschlaf mitbekommen. Es blieb warm genug, damit ich die Decke als zusätzliches Kopfkissen verwenden konnte.
In Lörrach wurden um diese Zeit hoffentlich kein Käsegeback mehr gebacken.
Hinter Frankfurt: weiteres Ruckeln, stehen, weiterschlafen. Später lesen wir etwas von „Zugreparatur in Mannheim.“
Um 7:38h Ankunft in Basel Badischer Bahnhof, etwa 30 Minuten zugreparaturverspätet.
Beim Aussteigen sehen wir in den Schlafwagen hinein. Unser Liegewagen war perfekt in Schuss, wir merkten ihm sein Baujahr in den 1960ern/1970ern aber auch deutlich an. Das war Bahnfahren wie es sich in meiner Kindheit anfühlte.
Der Schlafwagen hingegen, in den wir einen Blick erhaschten, war offensichtlich neu. Das sah aus wie das innere eines Fernseh-Raumschiffs. Ich war schwer beeindruckt und wünsche mir, dass irgendjemand auf der Welt außer der ÖBB neue Schlaf- und Liegewagen bauern lässt.
Unsere Reiseparter*innen fuhren weiter nach Basel SBB. Sie wollten den Tag über Basel betrachten, abends weiter nach Genf.
Wir eilen zur S-Bahn, in der Hand das kaffeefreie To-Go-Frühstück zu dem der Schaffner uns hingelenkt hatte. Vor Eil-S-Bahn-Schreck vergesse ich, ein Foto vom Nachtzug zu machen.
In Lörrach nimmt die Käsegebäckproduktion wieder fahrt auf.
Wir unterbrechen diese zum Frühstücken und Kaffeetrinken.
Madame bricht wegen Familiengeschäften zu Bank und anderen Orten auf. Den ursprünglichen Plan „ab ins Freibad!“ kann sie wegen Arm nicht umsetzen. Die Käsegebäckproduktion läuft weiter, Ich führe den Schwimmbadplan alleine durch. Und es war alles perfekt:
Die Anlage des Parkschwimmbads Lörrach war riesig, schick und bis auf die Drehkreuze funktionierte alles als wäre es farbikneu ausgepackt. Sonne und Trockenheit beim Kommen und Gehen, zwischenzeitlich im Wasser Regen. 20 Grad Lufttemperatur, 21,8 Grad Wassertemperatur. Wir teilten uns ein 50-Meter-Becken mit zwei bis sechs Personen. Es gibt wenig, was so herrlich ist, wie Regen wenn man bereits im Wasser ist und schwimmt.
Letztendlich schwamm ich viel und lange wie seit Monaten nicht mehr. Was wunderbar war. Aber es führte dazu, dass ich mich nach dem Heimkommen leider nicht mehr bewegen konnte.
Währenddessen ging die Käsegebäckproduktion weiter.
Irgendwann erhob ich mich wieder. Sollte sich ein Muskelkater abzeichnen?
Die Geschäftsvorgänge wurden trotz der notwendigen Mitwirkung von übersichtlich kompetenten Bankazubis erfolgreich zu Ende gebracht. Madame möchte an die alte Hamburger EC-Karte erinnert werden.
Das Käsegebäck war vollendet. Es gab Kaffee und Kuchen. Später traf sich der Cousinenchor zur Probe und dann zum Pizzaessen.
Jetzt wird noch eine Katzenbarbie eingewickelt und der große Tag beginnt.
2 Fußgänger
Nachzutragen von Mittwoch: Der Tag begann mit einem Staatsbesuch. Nicht bei mir, aber als ich versuchte, per Rad die Straße zu überqueren. Die Choreographie der Polizei-Motorräder, die in kurzer Zeit rollierend Kreuzungen absperren, um den Besuchstross durchzulassen, fasziniert mich stets.
Karen fuhr auch Nachtzug. Von Bukarest nach Istanbul. Ich ahne, dass Madame spätestens Montag Reiserouten von Bukarest nach Istanbul recherchieren wird.
Lörrach besitzt eine „Fahrradstraße – Autos sind hier Gast“. Ich wandelte diese entlang und traf 1 Fahrrad, 2 Fußgänger (einer davon schob ein Fahrrad) und 11 Autos.
Die Kollegen waren im Fernsehen als sie einen Motorbootkapitän retteten.
Mein Lieblingsschwimmbad war im Radio. Gleich am Anfang des Beitrags: Wärme der Zukunft – Wie klimafreundlich geheizt werden kann.
Über Geld reden, heißt darüber reden, was eine Gesellschaft ausmacht. Ich werde sobald ich in Berlin bin, mal suchen, ob ich an die eigentliche Studie komme.
„…und wünsche mir, dass irgendjemand auf der Welt außer der ÖBB neue Schlaf- und Liegewagen bauen lässt.“
Bitteschön, hier: https://www.vr.fi/en/news/2023/01/18/a-cabin-like-a-hotel-room-we-are-procuring-new-cars-for-night-trains
Und dabei sind die „alten“ schon super: https://myyratohtori.wordpress.com/2022/01/14/im-schlaf-reisen-2/
Oh wow . Vielleicht können sie die alten dann a die OeBB verkaufen damit die ihr Netz ausbauen können?
Ich fürchte, die behalten sie einfach. 🙂
Denn zu Ferien- und Feiertagszeiten sind die Schlafwagen nach Lappland immer ratzfatz ausgebucht. Und wir sprechen hier nicht von Nachtzügen mit ein, zwei Schlafwagen dran, sondern von welchen mit zehn Schlafwagen und maximal zwei Sitzwagen!