25-12-28 Teatime mit Lemon Drizzle Cake und Eiersandwich (Baden/Basel)

Ein Krähenschwarm wohnt in Lörrach-Zentrum. Falls mensch sie ausnahmsweise nicht sieht, dann sind sie zu hören. Fast schon möchte ich in Hitchcock-Anleihen Die Krähen schreiben.

Beim Zähneputzen aus dem Fenster geschaut. Dabei eine Amsel, eine Kohlmeise und einen Grünfink gesehen, so wie den Vogel der aussah wie ein Eichelhäher, nur dass er halt braun war.

Es war die zweite Weihnachtshälfte im Markgräflerland.

In der Badischen Zeitung stand ein Silvestertipp „Türen und Fenster geschlossen halten, damit keine Rakete ins Zimmer fliegt“ und ich kann nur sagen „Ha!“. Wie wir letztes Jahr bewiesen bekamen, kann eine Rakete auch ein geschlossenes Fenster durchschlagen, um dann neben dem Geschenkpapierstapel zu explodieren. Gerade an Silvester freuen wir uns sehr, zwei Kilometer Abstand zwischen uns und die Kugelbombengegend gebracht zu haben.

Madame hatte Klassentreffen, und sie erfuhr: Es gibt die Mittwochs-Wandergruppe der ehemaligen Lateinlehrer ihres Gymnasiums. Außerdem erhöhten wir die Zahl der persönlichen Kontakte ins Dota-Umfeld auf zwei.

Steak Diane und Krabbencocktail

Ausgelesen: Nigel Slaters Toast. Ein wirklich großes Buch. Slater erzählt in Episoden, verankert in Mahlzeiten und Essen von Süßigkeiten bis zu Steak Diane die Geschichte seines schwierigen Aufwachsens. Ich bin beeindruckt, wie die Erzählperspektive wechselt vom episodischen, unverbundenen Erzählen der Kindheitserinnerungen bis zum stärker analytischen und durchdrungeneren der Episoden als jugendlicher und Jungerwachsener.

Ich war gerührt. Ich lernte viel über britisches Essen der 1960er und 1970er. Und ich begann beim Essen einen inneren Nigel Slater und dessen Meinung zum Essen zu hören.

Wortspiel mit Herleitung

In Dänischen ist das Wort für Vater far und das Wort für Mutter mor. Die Großeltern beziehungsweise ihre Bezeichnungen lassen sich dann wie Lego zusammensetzen. Die farmor ist die Vater-Mutter, also die Großmutter väterlicherseits, der morfar der Mutter-Vater, also der Großvater mütterlicherseits. Farfar und mormor gibt es natürlich auch.

Leider lässt sich das in korrektem Dänisch nicht immer so weiterführen. Aber niemand hier spricht Dänisch, also ist das auch egal. Wissend, dass die Nichte die niece ist (zwei Nichten sind niecer) ist und die Gattin die hustru

  • trafen wir am ersten Weihnachtstag zwei Hustrumorniecer
  • und am zweiten Weihnachtstag eine Hustrufarniece

oder anders gesagt: verschiedenen Cousinen von Madame.

Creme fraiche als clotted-cream-Ersatz

Am Zweiten Weihnachtstag (Freitag) kamen Hustrafarniece und ihr Mann, der Hustrufarnieceaegtemand. Sie waren zum Kaffee angesagt. Aber Madame fiel rechtzeitig auf, dass die beiden gar keinen Kaffee trinken. Dann gab es Tee, und wo wir schon dabei waren, eine kleine britische Tea Time:

  • Scones in süß und mit Käse
  • Eier- Gurken- und Krabbensandwiches
  • Lemon Drizzle Cake

Und natürlich jede Menge Tee. Neben des üblichen Rundgangs durch alle Verwandten und das im März geplante Familienfest, ging es auch um buddhistische koreanische Beerdigungen („ich hab einfach immer gemacht, was mir gesagt wurde, was ich machen soll“) und die Frage, was die Unterscheidung zwischen Schweizer Käse, Bergkäse und Alpkäse ist und wann ein Rösti sich von einem Rösti in einen Backofen-Kürbisbratling verwandelt.

Auch erfahren: in Baden (Schweiz) und Ennetbaden (da-drüben-Baden) bei Baden existieren jeweils Bagni populare, zum Baden geeignete öffentliche Brunnen, die durch die örtlichen Thermalquellen gefüllt werden. („Ach, und die werden im Winter geheizt?“ – „Gefkühlt! Das Wasser hat 47 Grad.“).

Wie immer ein sehr schöner bereichernder intellektueller Rundgang mit den beiden durch die Welt.

Ennetbasel

Damit waren alle vor Ort erreichbaren Verwandten durchgetroffen. Ein halber Tag zum individuellen Entertainment blieb. Dieser führte fast zu Besuch bei einer bekannten bayerisch-schweizer Bloggerin, soweit ich weiss landeten wir auf dem Roche-Werksgelände. Aber erst ging mit der S6 zum Badischen Bahnhof, und dann eine faszinierende Gegend entlang der Schwarzwaldallee durch Kleinbasel / Enntbasel – also das Basel auf der „falschen Seite“ des Rheins.

Eine Ecke zwischen Bahnhof, Rheinufer und Stadtautobahn, eigentlich so urban und voll wie nur irgend sein kann, und trotzdem hießen Orte Sandgrube, Vogelsangweglein oder Ziegeleihof. Die Gebäude waren entweder ziemlich neu, große Wände, die das dahinter gegen die Autobahn abschirmten oder sie sahen aus wie Siedlungen in London oder in Berlin, die Anfang des 20. Jahrhunderts in den besseren Gegend als bürgerlicher Wohngegend im Grünen angelegt wurden. Nur dass „das Grüne“ selbst damals eigentlich nicht zwischen Bahnhof und Industriehäfen lag.

Ein wenig Recherche erbrachte die Landgüter Sandgrube und Solitude, ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen außerhalb Kleinbasels, die im 18. Jahrhundert in herrschaftliche Landsitze umgebaut wurden. Und es ist spannend. Denn selbst jetzt inmitten von Autobahn, Bahnhof und Chemieindustrie sieht die Gegend so aus, dass ich in 10 Minuten denke „Landsitz im Grünen“.

Solitude gehörte der Familie Hoffmann, die in die Familie La Roche heiratete, woraus der Pharmaziekonzern Hoffmann-La Roche hervorging. Heute heißt er Roche, hat zwei bekannte Türme in Basel gebaut, in denen einen bekannte Bloggerin arbeitet. Und am Rande des Solitude/Roche-Geländes wiederum steht das Ziel unserer Reise: das Museum Tinguely – a cultural commitment of Roche

Es rauscht und knattert

Der Bildhauer/Aktionskünstler/Bastler/Schrottkünstler Jean Tinguely begleitet uns durch dieses Jahr. Letztes Jahr zu Silvester unbewusst, denn Niki de Sant Phalle, deren Grotte wir sahen, und Tinguely gehören eng zusammen. Im März sahen wir einen Film über Niki, nicht ohne lange Auftritte von Tinguely. Im Oktober schließlich waren wir in der Pontus Hulten/Niki de Sant Phalle/Jean Tinguely-Ausstellung im Pariser Grand Palais – und nun der Basler heimatberechtigte Tinguely fast alleine.

Verkürzt zusammengefasst: Tinguely baute Maschinen. Maschinen, die „frei“ waren, weil sie keine Arbeit verrichteten, sondern sich einfach bewegten. Oft knattern, scheppern und klingeln sie. Manchmal zerstören sie sich selber. Manchmal machen sie Musik, manchmal malen sie. Oft machen sie gar nichts.

Das Museum sammelt diese Maschinen, stellt sie aus und bringt sie – Alptaum jedes Museums-Konservators – in Bewegung. Von frühen kleinen Werken, bewegter Abstraktion auf kleinem Raum, bis zu zur 17 Meter langen Grosse Méta-Maxi-Maxi-Utopia. Mir komplett neu war seine Faszination für den Autorennsport, einschließlich des Tryptichons Lola T. 180 – Mémorial pour Joakim B. aus zwei Lola-Rennwagen, Schädeln, Knochen und Reifenteilen.

Das Museum bietet zwei Möglichkeiten: Einfach nur die Maschinen anstaunen. Oder in den kabinettartigen Teilen noch viel zur Geschichte und Theorie dahinter lernen.

Schädel, Möhren und ein kleines Krönchen

Tinguelys Tryptichon in Aktion

Bester Weihnachtsbaum bei Nic.

Auch Thermomix bietet seinen Nutzern einen Jahresrückblick an. Christian zum Beispiel hat 71 verschiedene Rezepte mit 299 Zutaten gekocht. Lieblingszutat: Möhren.

Seit Wochen schleiche ich um Sehnsucht in Sangerhausen herum, überlege ich drei Stunden (mit drumherum) meines Lebens in diesen Film investieren soll. André hilft bei der Entscheidungsfindung: Kinotagebuch: Sehnsucht in Sangerhausen (2025) – Bresson, Kiarostami, Novalis, Radlmeier

Legende oder Geschichte: Der Lauch-Schlitzer!

Es gibt nämlich seit einer Weile schon eine Frau, die meistens ein kleine Krone trägt, die sich heimlich in die Theater schleicht. Sie ist inzwischen bekannt in der Region, denn sie hat es schon in Nancy, in Metz bis hin nach Straßburg versucht. Sie gibt sich als bekannte Opernsängerin aus und sie müsste unbedingt auf der Bühne proben. Sie hat es in Luxemburg sogar geschafft, dass sie eine ganze Nacht in einer Loge verbrachte und dort auf dem Sofa schlief.

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