Fracht/Fährschiff Finnlady fährt im Hafen Travemünde ein.

24-07-23 Bei Rauchentwicklung kriechen Sie zum Ausgang (Berlin-Travemünde-Helsinki)

Zwei Tage und zwei Nächte unterwegs.

Dabei bisher ein Schiff (Finnlady Travemünde-Helsinki), zwei Züge (ICE806 Berlin-Hamburg; RE8 Hamburg-Travemünde) und verschiedene Nahverkehrsmittel (S-Bahn, Metro, Tram, Linienbus. Shuttlebus) benutzt.

Zustand: K.o.. Glücklich.

Im Detail

Transfers

Der Transfer in Travemünde stand uns am meisten auf der ganzen Reise bevor. Er involvierte die Deutsche Bahn. Und nach den Bahnerfahrungen der letzten Jahre rechnete ich mal 10 Stunden Reserve in die Anreise Berlin->Travemünde ein.

Manchmal aber funktioniert auch alles und dann wären wir halt 10 Stunden zu früh. So kam es. Immerhin hatten wir Schließfächer am Bahnhof Travemünde Strand ausfindig gemacht, Travemünde selbst war sehr freundlich zu uns. (wer auch mal sucht: auf dem Bahnsteig, Richtung Bahnhof, dem Gleis zugewandt, leicht zu übersehen)

Ankunft mit dem Linienbus am Hafenhaus Travemünde gegen 21:30h, wir warteten in einer eher unwirtlichen Halle auf dem Shuttle Bus zum Schiff, der einzig offene Laden – das Weinkontor – machte erstaunlich viel Umsatz mit der skandinavischen Kundschaft.

Der Shuttle Bus setzte uns auf dem Frachtdeck ab – wir passierten mehrere Dutzend Audi-Neuwagen – und dann hieß es wieder warten bis die Kabinen bereit sind. Irgendwann zwischen Mitternacht und Eins waren die Kabinen bereit und dann wurde alles gut.

Der Transfer in Helsinki war besser organisiert. Über eine Gangway ging es zum Fahrstuhl, der uns zum bereits wartenden Shuttle-Bus bracht. Der Shuttle-Bus setzte uns am Tulli (Zoll) ab, direkt gegenüber wartete ein Linienbus. Der lieferte uns an der Metro Helsinki ab. Mit Metro und Tram kamen wir an den Töölö Towers an. Dazu ein andernmal.

Scatman

Travemünde veranstalteten freundlicherweise ein komplettes Volksfest, um uns den Tag über zu entertainen. Wir wanderten alles ab. nutzten die eine Fähre quer über den Hafen (Danke, Deutschlandticket!), erbummelten den Priwall, liefen wieder zurück und aßen Fish & Chips.

Zwischendurch erst der Shany-Chor-Travemünde, dann eine zwei-Mann-Combo mit Gitarre und echtem Bass, die eine eigenwillige, witzige und musikalisch gekonnte Interpretation durch die Rock-Geschichte bot. (Bassist: „Ein komplett schwarzer Bass mit komplett schwarzen Seiten auf einer Bühne in der prallen Sonne – das war nicht zu Ende gedacht.“ Sänger: Baute an möglichen und unmöglichen Stellen immer wieder „I’m a Scatman“ ein.)

WIr schlenderten zum Hafen, sahen den Rennseglern zu, die von den Wettbewerben der Travemünder wieder nach Hause segelten.

Dann weiter zum Strand. Madame gelang es mit Hilfe der EasyPark-App die Kurtaxe zu bezahlen und wir gingen baden. Dann weiter zum Porchetta-Stand. Und zurück zum Hafen, unserem eigenen Schiff beim Einlaufen zuschauen.

Stadtbummel, Konzert gehört, Volksfest besucht, Viermaster und Regattesegler gesehen, im Meer baden gewesen – für einen Tag, der als „Anreisetag“ im Plan stand, war das okay.

Fracht/Fährschiff Finnlady fährt im Hafen Travemünde ein.

Windstärke 9

Einschlafen bei der Hafenausfahrt aus Travemünde, mühsam die Augen aufhaltend, dankbar für das Fenster in der Kabine. Aufwachen kurz hinter Bornholm. Der Fernseher in der Kabine brachte immer mal wieder die aktuelle Position auf einer Landkarte; er bracht die absolute Windgeschwindigkeit an Deck (zusammengesetzt aus Fahrtwind und echtem Wind, lag teilweise bei Windstärke 9); und vor allem brachte er bei jedem Einschalten wichtige Hinweise wie eine Lebensrettungsjacke anzulegen ist, oder dass man sich bei Rauchentwicklung kriechend fortbewegen soll.

Eine Bildungsreise!

10 Quadratmeter Kabine für zwei Personen sind bei so einer Aktion mehr als ausreichend – von all den drei Übernachtungsreisen auf Schiffen war dies die beste. Zumal das Bett überraschend gut war.

Die Finnlady ist, wie all‘ ihre Schwesterschiffe ein Frachtschiff, das auch PKW und Fußpassagiere mitnimmt. Das Entertainmentangebot beschränkt sich auf ein Restaurant (deutlich besser als erwartet), eine Bar mit Barfood und ein Café.

Natürlich gab es eine Sauna – finnisches Schiff. Hauptentertainment für alle anderen Gäste waren die Leute im Handtuch mit Bier in der Hand, die zwischen den Saunagängen an die frische Luft aufs Sonnendeck gingen, sich um Wind abkühlen.

Unser Plan war:, dass wir anderthalb Tage auf dem Außendeck sitzen und ein Buch lesen: hat hervorragend funktioniert, zu Bar und Café können wir deshalb nichts sagen.

Bis hinter Bornholm sahen wir noch Schiffe. Es wirkte fast autobahnartig. Dann gabelten sich die Wege: eine Hauptroute südlich der Küste entlang, und wir, die wir nördlich nach Finnland fuhren. Wir, unsere Bücher, die Fähre und die Saunagäste in ihren Handtüchern waren allein im weiten Meer.

The Editors

Gelesen: The Editors von Stephen Harrison. (Kostenloses Vorabexemplar, gedruckt): Eine Onlineenzyklopädie und die Lage explodiert. Die Enzyklopädie heißt Infopendium, aber sagen wir mal, ich weiß nicht ob je einen derart treffenden Text – fiktional oder dokumentarisch – über das wahre Innenleben der Wikipedia gelesen habe. Der Wikipedianer in mir feierte die ganze Zeit und dachte nur „so wahr. so wahr“, der nicht-Wikipedianer fragte sich, ob sich das auch anderen Menschen erschließt.

So ab dem ersten Drittel wurde die Frage beantwortet: Harrison nimmt sich ein paar Freiheiten mehr gegenüber der wahren Enzyklopädie und sein Plot hebt ab: ich glaube das Buch funktioniert auch für nicht-Wikipedistas. Auf der Fähre bin ich bis kurz vor das Ende gekommen, erlebte noch eine freudige Überraschung, kurz vor Schluß und freue mich auf heute abendliches Finallesen.

Nitpicking auf hohem Niveau: das ganze ist ein Ensemblestück mit verschiedenen Plotlinien, die sich am Ende treffen. Eins, zwei Plotlinien weniger wären auch okay gewesen. Irgendwie schade, aber bei einem männlichen Autor nicht überraschend, die beiden stärksten lebendisgten Charaktere des Casts sind beides Männer. Die Frauen fallen da ab.

Jetzt warte ich bis das Buch offiziell erscheint, dann kann ich es kaufen und Wikipedian-interessierter Bekanntschaft bei Gelegenheit schenken.

Onlinegelesen

Nada. Kein Internet an Bord, mir schwaches Signal vom Land zu erhaschen war mir zu mühselig. Madame war fleißiger und hielt mich über die aktuellen Biden-Harris-Entwicklungen auf dem Laufenden.

2 Gedanken zu „24-07-23 Bei Rauchentwicklung kriechen Sie zum Ausgang (Berlin-Travemünde-Helsinki)“

    1. Sehr schön. Ich hoffe es wird gefallen. Nur Weihnachten oder auch Silvester? Und wo? Das originelle war ja, dass ich zusammengerechnet mehrere Monate meines Lebens nur wenige Kilometer entfernt in Grömitz verbracht habe, aber nur einmal sehr kurz in Travemünde war. Aber gerne wieder. Gerne wieder auch mit Schaff am Ende.

Kommentare sind geschlossen.