Menschenmenge auf dem Weg durch den Tiergarten

24-01-23 Perleberg steht auf. Berlin sucht die Demo.

Cora Schumacher (Dschungelcamp), die Buffalo Bills (NFL-Playoffs) und Ron DeSantis (US-Präsidentschaftswahl) sind raus.

Der Gemeinderat von Norderwöhrden/Dithmarschen (290 Einwohner) stimmte mit 4:3 dem Bau einer Batteriefabrik für 4,5 Milliarden Euro zu. Und in seinem Ablauf ist das schon etwas absurd.

Madame und ich gingen zur Antifa-Demo und saßen danach auf dem Sofa fernsehen. Wie so ein altes Ehepaar.

Wir entließen den roten Fundstuhl in die Freiheit.

Mächtig, gewaltig

Madame bereitete Gans. Im Januar. Im Januar gibt es keine Gänse.

Erster Versuch beim Spargel- und Gänsehof, dessen weidende Gänseherde wir regelmäßig passieren. Auskunft dort: „Nach Weihnachten gibt es keine Gänse mehr.“

Zweiter Versuch: Der „Geflügelfleischer“ der Nachbarschaft, der problemlos Fasane, Wachteln, Tauben, französische Schwarzfußhühner, Mandarinenten und Amselzungen besorgen kann: „Gans. Januar. Hmm, hmmm, hmm. Schwierig.“

Schließlich gelang es dem Geflügelspezialisten, eine tiefgekühlte und vom Fachmann im Kühlhaus aufgetaute „Weidegans aus dem grünen Oldenburger Münsterland“ aufzutreiben. Madame bereitete in einer 2-Tages-Aktion zu.

Das genaue Rezept samt Schnickschnack, Füllung und Sauce steht auf dem Rezeptblog, low-n-slow. Das wichtigste:

  • Gans, 4,3 Kilogramm
  • 1 – Eine Stunde im Backofen bei 220 Grad garen.
  • 2 – Dann 8 Stunden über Nacht bei 80 Grad im Backofen schmoren.
  • 3 – Herunterkühlen lassen auf Transporttemperatur
  • 4 – Mit dem Subaru-Gänsetaxi nach Friedrichshain kutschieren
  • 5 – Bei 180 Grad 30 Minuten wieder heiß machen
  • 6 – Bei Heißluft überknuspern

Die Schritte 3 bis 5 sind optional.

Ein nachgeholtes Gebutstagsgeschenk bot sich als Anlaß an. Wir redeten vom Business (Ablauf von Bewerbungsverfahren, internationaler Lizenzhandel, „Immer dieses Connecten!“), von Familiärem und von Jonglierkursen. Dann Antifa.

U-Bahn voll und trotzdem da: Die Fußgänger-Antifa

Die schlechte Nachricht vorweg: Offensichtlich habe ich in meinem Leben an zu vielen Antifa-Demos bei gleichzeitiger Anwesenheit von Nazis teilgenommen: Seitdem ich am Wochenende Demofeeling hatte, hängt mein Hirn auf Dauerschleife. Es grölt ununterbrochen: „Hier! marschiert! der nationale Widerstand!“. Das ist unschön. Vielleicht ist es auch nur die Erkältung.

Interessant: Bei etwa 100.000 Menschen scheint die Belastungsgrenze deutscher Großstädte für spontane Versammlungen erreicht. Hamburg und München brachen wegen Überfüllung ab. Berlin hatte mit dem Platz der Republik, dem Bürgerforum, dem Brandenburger Tor mit Pariser Platz, der Straße des 17. Juni, der Straße Unter den Linden und dem Tiergarten noch viel Platz für Menschen. Nur gelangten die Menschen nicht mehr bis dorthin.

Beeindruckend: Wir versuchten um 15:30h an der Samariterstraße (6 Kilometer Luftlinie und 10 U-Bahnstationen vom Demo-Ort entfernt) zur Demo zu gelangen. Der gesamte Bahnsteig war voll mit Menschen, halt so wirklich aus der Nachbarschaft in jung und alt, viele Familien, spontan selbst gebastelte Plakate und eine einfach positive Stimmung. Die wenigen Plätze, die in den hereinfahrenden U-Bahnen noch quetschbar waren, waren stets schnell gefüllt. Wir hatten keine Chance, in eine der Bahnen zu gelangen.

Also antizyklisch noch ein paar Stationen aus der Stadt herausgefahren, ausgestiegen, wieder in die richtige Richtung eingestiegen und am Brandenburger Tor aus der U-Bahn geworfen worden. Dort wurde es unübersichtlich. Es war so viel Demo und so viele Menschen unterwegs, dass nicht so ganz klar, wo die Demo war.

Gut, dass wir so den Weg vom Brandenburger Tor zum Reichstagsgebäude kennen. Der Plan „Folge-den-Menschen-die-so-aussehen-als-würden-sie-zur-Demo-gehen“, wäre nicht aufgegangen. Denn sie waren überall, und sie bewegten sich in alle Richtungen.

Menschen mit Postern strömten durch den Tiergarten, kamen vom 17. Juni oder aus Richtung Potsdamer Platz. Andere waren am Gehen. Gegen 18 Uhr gingen wir wieder und immer noch kam ein Strom neuer Demonstrant*innen herangelaufen. Bis zur Museumsinsel (etwa zwei Kilometer östlich der Demo) waren alle U-Bahn-Stationen außer Betrieb genommen. Bis dorthin war die gesamte Straße Unter den Linden für den Verkehr gesperrt, denn den Platz benötigten Demonstrat*innen auf Hin- oder Rückweg.

Ich traue mir nicht zu, zu schätzen, wie viele Menschen gleichzeitig vor dem Reichstag standen. Aber ich habe den Eindruck, dass zu jedem gegebenen Zeitpunkt ein Vielfaches an Menschen durch die komplette Innenstadt zog, entweder auf dem Hin- oder Rückweg zur Demonstration.

Menschenmenge auf dem Weg durch den Tiergarten
Nicht die Demo, sondern einer der Zugangswege durch den Tiergarten.

Sticken gegen Nazis

Gesehen: Leuchtplakate (sei es Plakate mit Lichterketten oder von innen beleuchtete Lichttafeln mit ‚Nie wieder ist jetzt‘-Aufschrift); ein Plakat „Darkroom links gegen rechts.“ Flaggen, die aus Metall-Brandschutzdecken bestanden; ein Plakat „Merz ist mitgemeint“; „Wir sind mehr“, „Wir sind das Volk“; der obligatorische Brezelverkäufer hatte seinen Bauchladen anlaßgemäß geschmückt.

Premiere: Eine Mini-Demo in der Demo gegen die Demo. Etwa 20-30 Personen mit Palästina-Flaggen, deren englischen Transpis nach sie vor allem dagegen demonstrierten, dass die ganzen Anti-Nazi-Demonstranten nicht auch zur Free-Palestine-Demo kommen.

Premiere: Meine erste Großdemo bei der ich keine Hubschrauber hörte. Später sahen wir verschiedene Drohnen weit über dem Gelände fliegen.

Unfassbar: Mehrere ältere Damen hatten ein bettlakengroßes Demo-Transparent mitgebracht, nicht bemalt sondern bestickt war. Ich hoffe, ein*e Museumskorator*in hat das gleich für die Nachwelt gesichert.

Vor allem aber: So viele Menschen, die so wirkten als wären sie komplettemang aus den Bussen, Bibliotheken, Supermärkten der Gegend gekommen.

Noch beeindruckender: Allein in Cottbus waren so viele Menschen auf der Straße wie der Bauernverband letzte Woche bundesweit nach Berlin organisieren konnte.

Mein Herz erwärmend: Die Prignitz ist wunderschön. Vor allem auch, weil es die menschenleerste Gegend Deutschlands ist. Wenn ihr eine Deutschlandkarte seht, auf der zum Beispiel Straßen, Bahnstrecken, Mobilfunkmasten, Schwimmbäder, Kneipen et cetera eingezeichnet sind – dann ist in diesen Karten oben rechts ein großes Loch sichtbar, in dem sich gar nichts befindet. Das ist die Prignitz.

In dieser Prignitz, in Perleberg, 600 bis 1000 Menschen demonstrierten. Wow! Ich habe Zweifel ob an einem normalen Samstag überhaupt so viele Prignitzer ihr zu Hause verlassen.

Wohnungsdetektive

Der Filmflötist bekam eine Eigenbedarfskündigung. Nachdem er seit 1944 in derselben Straße und seit 1971 im selben Haus wohnt. Anscheinend kann seine Eigentümerin (die derzeit zur Miete in einer anderen Berliner Wohnung lebt) sich Miete und Nebenkosten ihrer aktuellen Wohnung nicht mehr leisten. Ebenso typisch wie bitter.

Der Berliner Wohnungsmarkt ist wild. Deshalb vielleicht hilfreich: der Berliner Mieterverein empfiehlt eine*n Detektiv*in bei Eigenbedarfskündigung: Vorgeschobener Eigenbedarf: Profi-Detektiv hat meistens Erfolg

Die Presse in der Nachbarschaft: Wie ein Eigentümerkollektiv politisch aktiver international anerkannter Architekt*innen, Künst­le­r*in­nen und Ku­ra­to­r*in­nen in der Schöneberger Ebersstraße versucht, ihre Mieter aus deren Wohnungen herauszuekeln. (Erinnert mich tatsächlich an die Zustände teilweise hier im Haus, nur dass unsere Ex-Eigentümer deutlich schlechter organisiert waren): Mie­te­r*in­nen nicht erwünscht.

Ist das ein Grammophon?

Frau Herzbruch mit Demoneid.

Karen fährt weiter Bahn: Turku-Warschau mit dem Zug: (4) Kaunas-Warschau. (Wobei ich den Warschauer Bahnhof ja auf seine spezielle Art sehr mochte).

Die Lage zwischen der Hamburger Wikipedia-Community und Wikimedia Deutschland ist so verfahren, dass es schon zu einem gemeinsamen Statement kommen musste.

Pavel Richter, ehemals Geschäftsführer von Wikimedia Deutschland (und in der Funktion auch einige Zeit Vorgesetzter meines Vorgesetzten), macht zukünftig vielleicht Paid-Editing auf Wikipedia-Diskussionsseiten: Benutzer:Pavel Richter (Consolvi GmbH)

Die seltsamen 50. Geburtstage: A friend of mine manages an event place in Scotland, and they’ve banned 50ths. Hen nights, stag dos, 40ths, no problem: but some combination of the manic nihilism that sweeps over people and the middle-aged mal-coordination that crept up on them leads to a wild amount of breakage.

Anderswo in Berlin: Trauer um den Hertha-Präsident: Das ganze Stadion war in schwarz gekleidet. Nur einzelne verteilte hellblaue Tupfer jener Menschen, die Kays sogenannte Präsidentenjacke trugen, jene Jacke, die er trug, als wir ihn vor anderthalb Jahren ins höchste Amt unseres Vereines wählten. Es wurden keine Banner der Fanclubs und Fangruppen gehängt, keine Fahnen, nichts. Nur ein langes, schwarzes Banner unten im Umlauf.

Falls jemand Demoblogberichte aus Nicht-Berlin-München-Hamburg-Köln kennt, gerne in die Kommentare.

4 Gedanken zu „24-01-23 Perleberg steht auf. Berlin sucht die Demo.“

  1. Hier aich Januargans, nach längerer Suche. War sehr gut, Zubereitung auf einmal, aber ich bin sehr an dieser Methode zu Transport oder Pause zwischendurch interessiert. Wird die Gans begossen währen der 80°-Phase – eher nicht?

    1. Die Gans wurde gar nicht begossen, nur vor den letzten 15 Minuten überknuspern haben wir sie mit Wasser bepinselt. Ein ausführlicherer Beitrag ist in Arbeit!

      LG
      Pou

  2. Warte gespannt. Der Gedanke, eine Gans fast fertig zu machen und dann noch einmal die letzten Schritte zu machen, kam mir auch schon, und wäre manchmal praktisch.

Kommentare sind geschlossen.