25-07-13 Knobi-Pferd im Nordseewind (Dithmarschen)

Beim Schleswig-Holstein Musikfestival ist ein KI-Chatbot unterwegs, der sich Wolltraut nennt:

Moin! Ich bin Wolltraut, Ihre digitale Konzertberatung beim Schleswig-Holstein Musik Festival, und durchgrase für Sie das Programm. Meine Antworten basieren auf künstlicher Intelligenz. Da ich ein Schaf bin, mache ich auch mal Fehler.

Flens, das Bier, wirbt mit dem Wasser aus der Flensburger Gletscherquelle. Angesichts der Topographie Schleswig-Holsteins eine mutige Bezeichnung.

Edeka Wesselburen verschenkte angesichts des Umzugs-Ausräumens Wurst und Käse an die Angestellten, was uns zu Besitzern zweiter Ordnung eines Wurst- und Käsepakets machte. Nächsten Mittwoch ist glanzvolle Supermarkt-Neueröffnung am Kohlosseum.

Zeichen des nahenden Herbstes: der Kohl auf den Feldern ist ganz schön groß. Er sieht so aus als könnte er morgen abgeerntet werden.

Es waren zwei Tage in Dithmarschen. Ein Freitagvormittag im mobilen Arbeiten, zwei Abende und ein Samstagvormittag frei für Belustigungsaktivitäten.

Den Nicht-Belustigungs-Teil eines Abends verbrachte ich mit Wissenserwerb: ich weiß jetzt wie man verschollene Passwörter zu @arcor.de-E-Mail-Accounts zurücksetzen kann. Immerhin handelt es sich bei ihnen um schützenswerte historische Relikte aus den Jahren 1996 bis 2011.

Auch gelernt: Krankenkassenkarten dürfen ohne Foto sein, wenn mensch aufgrund eines Pflegegrads dauerhaft mobilitätseingeschränkt ist.

Schollen und Seeschwalben

Alteingesessene Dithmarscher*innen beschweren sich, dass Büsum vom gemütlichen Familienbad hin mutierte, hin zur reinen Partystadt. Jedes Wochenende Festival, jedes Wochenede Rummsfallera. Nur noch für junge Leute. Als ich versuchte nach Büsum hineinzufahren und hinter einer Brigade grauhaariger Paare im Partnerlook auf Rädern, E-Bikes und Mobilitätshilfen aller Art, festhing, hatte ich Zweifel an der These.

Wir wollten zum traditionellen Schollenessen bei Fisch-Möller. Ich hatte beschlossen, dass die Chance auf einen Platz Donnerstagabend besser ist als Freitagabend, und so brachen wir früh auf. Scholle und alkoholfreies Flens mit Blick auf das Hafenbecken, so darf es sein. Scholle mit Kraut / man sich erbaut.

Weil der Abend noch jung war, ging es weitere zur anderen Attraktion mit Meerblick: dem Eidersperrwerk. In der Abendsonne ließen wir uns vom Nordseewind freiwehen, lauschten dem Kreischen der Möwen und Seeschwalben und bestaunten mit welcher Geschwindigkeit das Wasser durch die breite Eidermündung rauscht.

Ich absolviert den obligatorischen Fußgang über die Eider von Dithmarschen nach Eiderstedt, bewunderte dabei die ewigwährende Baustelle (jetzt am Nordende) und die englisch geführte Gruppe Naturisten Naturkundler*innen auf der Suche nach den Seeschwalben.

Ratten- und Axtwerfen

Dieses Ende der Woche hatte einen Moment zum Atemanhalten und erschrocken die Hände vor den Mund legen. Wir sahen auf dem Heider Marktfrieden zu, wie ein Besucher sich im Axtwerfen übte, die ganze Zielwand verfehlte, und die Axt hoch hinter die Zielwand flog – außer Sicht aber definitiv auf dem Marktgelände landend.

Zum Glück war dies anscheinend antiziapiert worden: Die abgesperrte Freifläche hinter dem Axtwurfstand war riesig.

Nach 30 Jahren gelang es dem Kaptain und mir erstmals den Heider Marktfrieden zu besuchen. Den könnte mal als Mittelaltermarkt bezeichnen – aber das würde der Sache nicht gerecht werden.

Denn er ist historisch verortet: Die Zeit der Schlacht von Hemmingstedt, als die Dithmarscher Bauern den Holsteinischen Adel besiegten, ist in der Dithmarscher Seele stets präsent1.Gefühlt ist jede*r zweite Dithmarscher*in auch heute noch in der Seele stolzes Mitglied der Bauernrepublik.

Heide bezeichnet im Stadtslogan als „Marktstadt im Nordseewind“. Der Markt, und überhaupte jede Form von Markt, ist in Heide wichtiger als in anderen Städten.

So passt ein historischer Markt genau in das Selbstbild der Stadt – der „Marktfrieden“ ging auch aus der Stadtgesellschaft hervor – eher unter Hinzuziehung des üblichen Mittelaltermarktprogramms.

Das zeigte sich auch auf dem Markt.

Es gab ein paar Schausteller, die ihr übliches Programm mühsam auf Mittelalter getrimmt hatten: Hallo Slushie/Frost-Trunk!

Aber das blieb die Ausnahme: Vor allem war war eine große Mischung aus Schaustellern und Ehrenamtlichen Lokalen.

Nett der Rattenwurf, bei dem niedliche Plüschratten auf eine Wand voller Mäusefalle geworfen werden musste, mit dem Ziel dass sie eine Falle auslösen und hängen bleiben. Selbst die meisten Essens- und Getränkestände boten etwas an, das es theoretisch ähnlich zur Zeit der Renaissance in Europa hätte geben können. So verzehrte ich eine Pferdwurst (Knobi-Pferd).

Aber es gab auch einen großen Getränkestand in passendem Ambiente durch die Fuerwehr Heid; diverse örtliche Vereine und Organisationen hatten sich in historische Gewänder gehüllt. Die evangelische Kirchengemeinde bot „Pilger’s Rast“ an mit Stockbrot, Kräutergarten, einer Gutenbergpresse und Abendgebet.

Wir kamen zufällig zur Eröffnung, die Hälfte der Programmbeiträge waren von Ehrenamtlichen auf Plattdeutsch und am Ende ritt ein ein vielleicht 16/17-jähriges Mädchen vor die Bühne und sprach vom Pferd auf Platt einleitende Worte.

Im Nachhinein frage ich mich, warum ich 30 Jahre brauchte von der Erstaufführung des Marktes bis zu meinem Besuch.

In der Seine baden, hinter die Paywall kommen

Pariser*innen in der Seine vor 1913: PHOTOS : cette époque où les parisiens se baignaient dans la Seine (via Messy Nessy)

Falls ihr nichts mehr von mir hört, kann es sein, dass ich mich im Curious-about-Everything-Newsletter verloren habe.. zuviele Themen. Eigentlich könnte ich alles hier verlinken, beschränke mich aber auf drei: (1) The Wild Within the Walls From antiquity to modern times, Rome has been entangled with the wild animals who creep, slither, scurry, and nest among its pillars and palaces. (2) Pirates of the Ayahuasca. That shaman stole my personality (3) The Wet History of Media in the Bathroom

Irgendwie habe ich bisher alle Erwähnugen des Bibbots gekonnt ignoriert: Ich glaube es war ein Fehler. Herr Paul hat mich jetzt endlich draufgestupst. Browser-Erweiterung, um Premiumangebote deutscher Nachrichtenseiten über Ihren Bibliothekszugang zu nutzen.

Anmerkungen

  1. 1500. Also auch nicht Mittelalter. ↩︎

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