Madame schnippelte Scheinlöwenzahn.
Was war das? Nachdem ich gestern selbstbewusst den Übergang vom Vorweihnachtsstress zum Jetzt-ist-egal-Chill verkündet hatte, habe ich heute die letzte halbe Stunde meiner Arbeitszeit leer auf den Rechner gestarrt und versucht zu verstehen, welche Büffelherde gerade über mich hinweggelaufen war. Da wollten wohl noch einige schnell etwas fertigbringen und forderten Support an.
Zum Ausgleich ein Abendschmankerl: ein Kollege im Radio. Den kenn‘ ich.
Vorher dem Ansturm blieb mir Zeit, um über das gestrige „She Said“ nachzudenken. Wir sahen ihn mit Professor Transformation im Delphi Palast. Der Film zum Harvey-Weinstein-Fall. Er erzählt den Fall Weinstein anhand der Entstehungsgeschichte des Artikels Harvey Weinstein Paid Off Sexual Harassment Accusers for Decades (Paywall removed) aus der New York Times, der vieles von #metoo ins Rollen brachte. Er verfolgt die beiden Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey, die den Artikel recherchieren.
Das Gute: Der Film widersteht sowohl der Versuchung voyeuristisch zu werden als auch der Versuchen, Weinstein als eine Art gefallenen charismatischen Antihelden darzustellen.
Inhaltlich, auf der Handlungsebene, wird der Film der Komplexität des Themas überraschend gut gerecht.
Das weniger Gute: Emotional bleibt der Film flach und wenig komplex. Gefühlt bestehen 90% des 129 Minuten langen Films daraus, dass engagierte, fleißige, gegen Wände rennende Journalistinnen, mit verängstigten, schamtraumatisierten Schauspielerinnen und Ex-Miramax-Angestellten telefonieren, damit diese „on the record“ gehen. Die restlichen 10% zeigen leere Hotelflure mit der immer gleichen penetranten drohend-traurigen Musik. Was an Komplexität im Fall liegt; zum Beispiel bei den Enablern, die wussten/ahnten was passiert aber nichts taten, geht leider unter.
Ein Film, der gerne eine hervorragende Dokumentation geworden wäre, aber der Hollywood-Erfolgs-Logik nach ein mäßiger Spielfilm werden musste. (und dann auch noch leider an der Kasse floppt).
Mit leichtem Grisen sehe ich Alpha-Twitter*innen auf Tröt, die offensichtlich sehr darunter leiden, nicht mehr automatisch im Mittelpunkt zu stehen. Jetzt versuchen sie, politisch reflektiert einen Punkt zu machen, warum Tröt unbedingt mehr wie Twitter werden sollte.
Gleich werde ich Rotkohl schneiden, um das Jahresprojekt 2023, das Miss-South-Kochbuch nachkochen, zu beginnen.