Madame brach gen langes Wochenende auf. Das brachte mich in eine ungeahnte Situation: Die übliche Samstagroutine fiel aus, aber ein ungeahntes Reich der Freiheit eröffnete sich. Ich hätte wieder schlafen gehen können – der gestrige Freitag war ja überraschend anstrengend geworden. Oder gleich in den Mathebüchern verschwinden. Ich konnte einfach so auf das Rad steigen, denken „ich komme irgendwann wieder“ und dann verschwinden. Oder den ganzen Tag eine explosions-und-blutreiche Serien per Beamer im Wohnzimmer sehen.
Die vielen Möglichkeiten überforderten mich. Immer wenn ich dabei war, etwas anzufangen, viel mir auf, wie viele andere Möglichkeiten ich mir damit verschließen – und so lief ich wie ein sehr müdes und langsames aufgeschrecktes Huhn durch die Wohnung. Bis ich mich dann irgendwann auf „Privatmails aufräumen, Papierstapel auf dem Schreibtisch wegkriegen“ geeinigt hatte – das musste auf jeden Fall mal sein.
Bei der Gelegenheit konnte ich die neue gebührenfreie Kreditkarte in Betrieb nehmen. Test erfolgreich: Sie erfüllt den einen Zweck für den sie angeschafft wurde und lässt mich gebührenfrei von den Geldautomaten der Umgebung Bargeld abgeben. Wichtiger: Im neu eingerichteten Onlinebanking wechselte ich vom „bösen“ Revolving Credit (ich zahle pro Monat nur einen kleinen Teil der Ausgaben zurück, der Rest bleibt als Schulden auf dem Kreditkartenkonto und wird teuer verzinst) zum „guten“ Charge-Verfahren (ich zahle am Ende des Monats Alles; kein Kredit, keine Zinsen).
Das ganze Verfahren lässt mich traurig zurück: der aus Banksicht einzige Sinn der Karte scheint darin zu bestehen, Leute zum Schuldenmachen zu bringen, die sie vorerst nicht zurückzahlen zu können und daraus mit Phantasiezinsen Geld zu verdienen. Aber um so weniger Hemmungen habe ich, mir aus der Karte eine kostenlose Dienstleistung zu basteln.
Irgendwann schwang ich mich doch noch auf’s Rad. Aber weil ich weiterhin etwas unkoordiniert war, fuhr ich einfach mal wieder den alten Arbeitsweg ab – dort habe ich noch jede kleine Erhebung, jede Kurve und jede Bodenwelle in den Beinen und landete noch im alten Supermarkt.
Vor mir an der Kasse: Ein Einkauf von zwei Packungen Salat, drei Flaschen Wein. In meinem Kopf formte sich der Gedanke „Desolat leben, aber gesund – ein passendes Motto der gesellschaftlichen Entwicklung.“ Da nahm die Dame auch noch zwei Packungen Zigaretten und das Motto zerstob in meinem Kopf.
Inspiriert von der Kaltmamsell schaute ich bei VG Wort vorbei (wie zu erwarten war, nix Gutes in 2022 für mich), schrieb eine verspätete Geburtstagskarte und sortierte alte Schwimmbadkarten in die Schwimmbadkartensammelportmonnaietasche.
Überraschend gut gefiel mir der deutsche ESC-Beitrag. „Rammstein on estrogen“ wie ein Youtube-Kommentator schrieb. Und da deutsche Welterfolge die Scorpions, Rammstein und Scooter sind, hat die Band vielleicht sogar Chancen.
Auf Tröt las ich die Geschichte des russischen 1439. Regiments. Ein Staat, der so mit ihren eigenen Leuten umgeht, ist weit davon entfernt friedensbereit oder auch nur -fähig zu sein.
Sonst ist heute dann doch vor allem ein Italopop-Fernuni-Statistik-Tag.
Urlaubstip: Es gibt Rabatt auf die Interrail-Tickets.