23-07-20 Oder Weichsel Ostsee?

Im Hafen von Gdańsk liegt ein Nachbau der Black Pearl aus Fluch der Karibik. Diese bietet Ausfahrten an die Westerplatte an, wo ein Denkmal zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs steht. Mitfahrende kommen vor allem aus Schweden. Danzig – es ist eine besondere Stadt.

Wie jedes Mal in diesem Urlaub – wir wussten nichts. Aber bevor wir in Geschichte und Kultur einstiegen, widmeten wir uns Widrigkeiten des Alltags.

69% aller Unfälle passieren im Haushalt. Oder waren es 90%? Oder 30%? Wurde diese Zahl jemals wirklich erhoben? Der Haushalt ist, so wird gesagt, ein gefährliches Pflaster.

Viel gefährlicher als der Haushalt ist das Hotelzimmer. Noch gefährlicher ist das Hotel-Badezimmer: Oberflächen, schlüpfrig geworden von Wasser und Seife, unbekannte Kanten und Oberflächen.

So also bekamen wir einen ungeplanten und ungewollten Einblick in das polnische Gesundheitssystem. Der private Arzt, vermittelt von der Auslands-Krankenversicherung erklärte sich schnell per WhatsApp als nicht-zuständig und verwies an die Notaufnahme.

Die Notaufnahme der Uni-Klinik Gdańsk versteckte sich gut auf dem gigantischen Gelände von Klinik und medizinischer Hochschule.

Als wir sie einmal gefunden hatten, wurden wir umorgt. Die Rezeption verwies uns an die englischsprachige Fachkraft, schnell ging es an die „Triaż“ und dann bekam man einen Farbcode: Von Dunkelrot (es ist so eilig, dass keine Zeit für Farbcodes bleibt), über dunkelgelb (In 10 Minuten Arztvorführung), hellgelb (120 Minuten), grün (240 Minuten) und blau (360 Minuten).

Wir drehten noch einige Extrarunden und nach ziemlich genau 6 Stunden verließ Madame mit einem Gips, zwei Arztbriefen und der Aussicht auf viele weitere Arzttermine die Notaufnahme. Ich war nicht mit im Behandlungszimmer. Aber Madame berichtete nur Positives: Wenn man an der Reihe war, nahm der Arzt sich viel Zeit, erklärte gründlich und nahm sich Zeit zur Untersuchung.

Im Schlechten verlief es ziemlich gut. Falls ihr vorhabt, euch auf Reisen zu verletzen, können wir empfehlen, es in der Gegend der Danziger Uniklinik zu unternehmen.

Protect your head (und andere Körperteile). Installation mit Werftarbeiter*innen-Helmen in der Sokidarność-Ausstellung.

Nachdem nun ein Tag an die überraschende Exkursion in das polnische Alltagsleben gegangen war, mussten wir Programm raffen. Die Motława, den Fluss der Gdańsk durchfließt, hatten wir schon mehrfach bestaunt. Auch durch Altstadt und Rechsttadt, die beiden Haupt-Touristen-Viertel waren wir schon zwei Abende gewandelt. Aber würde es noch für die Ostsee reichen? Wir mussten straffen.

Es begann in der Marienkirche, laut Wikipedia eine der größten Backstein-Kirchen der Welt und offensichtlich noch ausgiebig als Kirche benutzt. Die angetrunkenen Schweden, die die Akustik des nächtlichen Ausgeh-Danzig bestimmen, wurden ersetzt durch deutsche Bildungsbürger-Rentner mit Mitteilungsdrang.

Weiter zur Solidarność-Ausstellung auf dem Gelände der Danziger Werft. Eine Mischung aus Museum und Würdigung von 40 Jahren Widerstand gegen den Kommunismus. Dargeboten in einer neuen Halle von den Ausmaßen einer echten Produktionshalle mit moderner Technik. Die arme Madame wurde von mir etwas durch die Gegend gescheucht (wir hatten nur zwei Stunden von 14 bis 16 Uhr), denn wir wollen weiter.

Die 8er-Tram fuhr uns zu ihrer Endhaltestelle Jelitnowo an einen der Stadtstrände von Gdańsk – gelobt sei die Stadt, die einen Strand in Straßenbahnreichweite hat. Da Strand, Meer und Gips sich nur mäßig vertragen, schauten wir auf die Ostsee, liefen aber vor allem nach Norden nach Sopot.

Und in diesem 200 Jahre alten Ostsee-Bade-Kurort liefen wir auf die Seebrücke. Wenn schon nicht in der Ostsee, dann über sie hinweg. Sonne, Wellen, Containerschiffe am Horizont. Ausatmen nach diesen beiden Tagen.

Abends Danzig-Rechtsstadt wieder, wieder inmitten der Schweden. Und eines blieb uns von Berlin über Wrocław, Warszawa und Gdańsk erhalten: Mauersegler. Von der Oder an die Weichsel und die Ostsee. Wie vielfältig dieses Land ist. Wie wenig Ahnung ich immer noch habe.