Palme von Warschau und Bus

23-07-18 Zwischen Frosch und Chopin

Madame sagt desöfteren „Microfantasia“.

Die Fernuni schrieb mit einem Einsendeaufgabenergebnis in Algorithmischer Mathematik: 27,8%. Um zur Klausur zu dürfen, benötige ich dreimal mehr als 30%. Ich habe zweimal(!) mehr als 30%, dazu einmal 28,7% und einmal 27,9%. Oder anders: Zweimal verpasste ich das Ziel um jeweils einen Punkt. Damit bin ich nicht zur Klausur zugelassen. Hätte ich in einem der beiden Versuche nur einen Punkt mehr erlangt, dürfte ich die Klausur mitschreiben. So knapp wie das ist, versuche ich vielleicht doch noch einen Punkt nachträglich heraus zu verhandeln. Aber egal, jetzt ist Urlaub.

Phänomenal übrigens: Wir sind drei Tage an einem fremden Ort und immer noch nicht auf dem Rückweg. Das hatten wir seit 2017 nicht mehr.

Der laut Vorhersage heißeste Tag des Urlaubs liegt hinter uns. Warszaw bot 35 Grad bei strahlendem Sonnenschein. Mein Bestreben war: Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen im Park an dem ein laues Lüftchen weht und versuchen, uns so wenig wie möglich zu bewegen. Madame meinte: Wenn sie schon ewig durch die Gegend fährt, möchte sie auch etwas davon sehen.

Wir einigten uns auf den Frühstücksmarkt (Targ Śnidaniowy) im Park am Skwer AK Granat und zogen mit Hilfe der Metro-Linie 1 zum Łazienki-Park weiter. Der „Park der königlichen Bäder“ hat ja schon einen mir sympathischen Namen. Außerdem steht dort das Chopin-Denkmal, an welchem Sonntags um 12 und 16 Uhr Chopin-Konzerte stattfinden.

Wir lauschten einem Konzert von Aleksandra Świgut besichtigten – ganz suutje – einen 80 Hektar großen klassizistischen Landschaftspark, in dem sich einst ein Jagdschloss der polnischen Könige befand. Zum Glück ein Park mit vielen Wandelwegen unter alten Bäumen mit stetem leicht leichtem Wind.

Palme von Warschau und Bus
Die Warschauer Palme soll an die Vegetation Israels erinnern und damit auch an die oft verdrängte jüdische Geschichte.

(Bildungslücke für zwischendurch: Wann hat Polen die Monarchie abgeschafft, und sollte sie wieder eingeführt werden, welches Adelshaus würde aktuell den König stellen?)

Dann bewegten wir uns zurück zu Chopin, hörten das zweite Konzert von Łukasz Krupiński. Da unser Sitzplatz direkt an einer Park-Magistrale lag, bewunderten wir hunderte Pol*innen in ihrem Sonntags-Ausgeh-Dress zwischen Barbiecore und Microfantasia. Nur High Heels sahen wir weder in der Sonntags- noch in der Samstag-Abend-Ausgeh-Garderobe im Ausgehviertel. Diese Zeiten scheinen vorbei.

Nach Rückfahrt mit dem 180er-Bus und etwas Erholung im SCSK-Hotel ging es Abends wieder in die Ausgehmeile in die Nowy Świat – Georgisch im Chmeli Sumeli essen und danach den Weg bis zum Schlossplatz (Plac Zamkowy). Ergebnis dieses Tages an dem ich mich nach Möglichkeit überhaupt nicht bewegen wollte: 17000 Schritte.

(Bildungslücke für den Museums-Teil: Wo genau in Warschau ist Willy Brandt auf die Knie gefallen?)

Montag folgten wir dem Motto „Kommen Sie ins Museum, wir haben Klimaanlagen“. Das Frühstück im reinen Frühstücks-Lokal Bułkę przez Bibułkę bescherte uns Omelett, scharfe Spiegeleier und eine unfreiwillig unterhaltsame finnische(?) Reisegruppe am Nachbartisch. Der Bus brachte uns zum Muzeum Historii Żydów Polskich POLIN (POLIN – Museum der Geschichte der polnischen Juden).

Wir kamen um 12 und als sie uns um 18 Uhr vor die Tür kegelten, waren wir in der umfangreichen chronologisch aufgebauten Ausstellung bis ins Jahr 1918 gekommen.

Die Macher* innen müssen den Spagat hinbekommen, sowohl Leute abzuholen, die wenig Wissen zum Judentum als auch zur Geschichte Polens haben, wie auch Privatgelehrten etwas zu bieten. Es gelingt vergleichsweise gut, der Anteil an Museumspädagogik ist hoch, die Objektdichte wird höher je näher man an die Gegenwart gelangt. Natürlich kommen zu viele Eindrücke mit, um sie innerhalb eines halben Tages verarbeiten zu können.

Deshalb leichtes Entertainment: Wir haben eine Mehrtageskarte für den örtlichen ÖPNV, hatten es in den Warschau-Tagen nicht geschafft, die Wisła zu überqueren und ein Unwetter war angesagt. Also fuhren wir durch einen Wolkenbruch mit der 25er-Tram zur einen Endhaltestelle, dann zur anderen Endhaltestelle und dann nach Warszawa Centralna. (Zwischendurch Placki/Kartoffelpuffer in einer vegetarischen Milchbar.)

Das polnische Wort für Frosch lautet Żabka. Jede*r, die länger als vier Minuten in einer polnischen Großstadt verbracht hat, wird Żabka kennen. Die Späti/Kiosk-Kette betreibt im Innenstadt-Bereich etwa alle 50 Meter einen Laden. In denen gibt es Mineralwasser. Bei 35 Grad das wichtigste am kompletten Urlaub.