Warschauer Kulturpalast in Abendstimmung. Im Vordergrund Verkehr und laufende Menschen.

24-08-04 Kein Dach über dem Kopf (Warschau-Berlin)

Der Körper bleibt stationärer. Keine Schnellzugfahrten mehr. Er bewegte sich nur zu einem Ausflug nach Latifundien, ergänzt um eine Exkursion in den Baumarkt und zum Recyclinghof. Die Seele hat Chancen nachzukommen. Inzwischen sind ich alle in Berlin.

Ein Teil meiner selbst versucht sich zu erinnern, dass Morgen ja Werktag ist – wie ging der Arbeitsweg? Was war das Passwort? Was arbeite ich überhaupt?

Ein anderer Teil meiner selbst sitzt noch im polnischen Intercity beziehungsweise ist auf dem Weg zum Warschauer Abendessen.

Nachdem uns EC44 der PKP, RE1 der Odeg, und S3 und S41 der S-Bahn Berlin nach Hause gebracht hatten, nutzten wir auf der Reise:

  • 2 Fernfähren (Travemünde-Helsinki; Helsinki-Tallinn)
  • 9 Fernzüge (Berlin-Hamburg; Hamburg-Travemünde; Tallinn-Valga; Valga-Riga; Riga-Vilnius; Vilnius-Mockava; Mockava-Warschau; Warschau-Frankfurt/Oder; Frankfurt/Oder-Erkner)
  • 3 S-Bahnen (Berlin)
  • 1 U-Bahn (Helsinki)
  • 13 Trams (8 Helsinki, 3 Riga, 2 Warschau)
  • 4 Diesel-Linienbusse (2 Warschau, Travemünde, Helsinki)
  • 2 Trolley-Linienbusse (Vilnius)
  • 2 Shuttlebusse (Travemünde, Helsinki)
  • 2 Hopserfähren (Travemünde)

Pawlowa

Wir gingen dieses Jahr spärlich essen unterwegs. Helsinki war uns zu teuer. In Tallinn waren wir zu unpässlich. In Vilnius hat’s zu sehr geregnet. Das Hotelpicknick mit Supermarktzutaten fand öfters statt als gedacht.

Ein Grund, es uns in Warschau gut gehen zu lassen.

Dem Rat unseres polnischen Mitreisenden folgend, versuchten wir den Kulturpalast zu ignorieren, fuhren mit der Tram zum anderen Ende seines Platzes. Dann Fußweg. Obwohl sich Warschau schon fast heimatlich anfühlte, war uns diese Ecke zwischen den Hochhäusern hindurch fremd und faszinierend.

Madame hatte die Browary Warszawskie ausgemacht. Ehemalige Großbrauerei, seit 2021 „ein neuer Hotspot. Bars mit hausgemachten Bier, eine große Food Hall und reichlich Sitzmöglichkeiten in gemütlichen Cafés.“ Wir saßen draußen im Untergeschoss in der gleichnamigen Bar.

Spannende Gegend: Die Leute um uns herum sahen weder nach Touristen noch nach eingesessenen Warschauern aus – eher die schicken etablierten jungen Menschen, die mensch in entsprechenden Plätzen in London oder Zürich erwarten würde. Wobei eh alles wahnsinnig schick aussah. Ein Weltensprung gegenüber dem Berlin, das uns einen Tag später erwartete.

Wir schwelgten: Litauisches Roggenbrot mit Ostseehering; Fischpierogi; Trüffelburger; Gegrillter Blumenkohl; Pawlowa; Sernik. Dann rollten wir mühsam nach Hause, wir blieben beim Thema Schwelgen.

Palace

Letztes Jahr bei unserem Polentrip war das Hotel in Warschau dasjenige, welches am teuersten war und dafür auch am wenigsten Joy sparkte. Irgendwie sagten wir „Warschau halt…“. Außerdem lag es nett fußläufig zu Warszawa Centralna, dem Warschauer Hauptbahnhof. Aber ging es nicht besser?

Dieses Jahr war das Hotel in Warschau immer noch das teuerste der Reise – aber es sparkte jede Menge Joy. Den Polonia Palace hatten wir sogar schon gesehen – er liegt noch näher am Bahnhof, als das alte Hotel. Bei jedem Gang vom ZSCW-Hotel zum Bahnhof liefen wir am Polonia Palace vorbei.

Jedes mal dachten wir: „Grand Hotel. Kostet sicher mehrere hundert Euro die Nacht. Weit über Budget.“

Seat 61 brachte uns dazu noch einmal nachzusehen. Dessen Hoteltipps sind zwar am oberen Ende unserer Reiseplanung, aber das Nachdenken wert. Er empfahl das Grandhotel. Madame schaute nach. Denkste! Bezahlbar. Auf ins Grand Hotel.

Gigantisches Zimmer, schickes Frühstück und ein tolles Gebäude, dessen Geschichte für einen eigenen Wikipedia-Artikel ausreicht. Genau gegenüber dem anderen Gebäude das wir ignorieren sollten. Welch schöner Urlaubsabschluss.

Dementsprechend blieben wir den Vormittag im Hotelzimmer – muss man ja nutzen und gingen direkt nach Warszawa Centralna.

Sie sehen nichts. Insbesondere kein Gebäude.

Rollkommando

Das Schicksal blieb uns hold, zwischen Warschau und Frankfurt hatten wir ein Abteil für uns allein. Wir bestellten Kotlet schabowy im PKP-Speisewagen – denn solang das Schnitzel noch vor Ort geklopft wird, soll man es ausnutzen.

Ab Frankfurt half alles Schicksal nicht – die Deutsche Bahn kam ins Spiel.

Vor Monaten gebucht: EC bis Frankfurt danach Regio, denn EC durchbuchen ging nicht. Kurz vor Abfahrt erzählte derHexer von Bahn-Bauarbeiten bei Frankfurt / Oder. Wenige Tage später die Mail „ihre Verbindung fällt aus.“ Das will man nicht lesen, wenn man noch im falschen Land unterwegs ist.

Langes Gewürge, die Verbindung bis Frankfurt/O fuhr ganz normal. Danach gab es die Auswahl der Bus zum Hauptbahnhof, oder per Regio/S-Bahn/S-Bahn zum Südkreuz. Im Regio eine drei-Mann-Fahrkartenkontrolle. Eine militärisch auftretende Schaffnerin plus zwei Securities, auch eher am martialischen Ende des Verhaltensspektrums. Um ein Haar hätte ich mit der Bahncard salutiert.

In a tent

Zurück in Berlin. Ihr kennt das: man ist in einer anderen Welt, geht implizit davon aus, dass sich auch zu Hause viel geändert haben muss. Dabei waren es nur ein paar Tage, nichts ist passiert. Der Fahrstuhl an der S-Bahn ist immer noch defekt. Weiterhin erbarmte sich niemand, die Notdurft (eines Obdachlosen?) aus der Hofeinfahrt zu entfernen. Nicht einmal ein neuer Smash-Burger-Laden eröffnete in der Nachbarschaft.

Diesmal aber gab es einen Unterschied: das Dach war weg. Das Gerüst um das Haus war in den oberen Etagen gewachsen. Dafür fehlten Dach- und Dachboden. Wir wohnen jetzt dachlos.

Am Donnerstag immerhin kam ein polnischer Bautrepp, errichtete um das Gerüst herum eine Zelthalle. Diese soll vor Regen schützen. Wir vermuten, unter der Halle wird neuer Dachboden und neues Dach errichtet.

Sunshine Vilnius

Karen mit Familie war auch in Vilnius. Aber länger und bei weniger Regen: Halbeuropatour ’24 (10): Vilnius

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