25-06-24 Peak Tageshitze

Der Kaptain entdeckte Dithmarscher Steinschafe. Sie wiederholte die Entdeckung, dass ein Krankenhaus am Wochenende langweilig ist – zumal, wenn die Entlassung immer wieder tageweise verschoben wird.

Mir träumte, es ware 13:56h und ich wäre auf dem Weg zur Arbeit und sollte vielleicht ein schlechtes Gewissen haben, und mal bescheid sagen, dass ich sechs Stunden zu spät komme.

(Was immerhin für die aktuelle Arbeit spricht – es war eher schlechtes Gewissen den KuK gegenüber als Angst vor Ärger.)

Was dem Einzelhandel die Adventszeit ist uns die Zeit in den Wochen vor der Freibaderöffnung bis zum ersten heißen Juniwochenende. Nichts ist zusammengebrochen. Ab jetzt darf es in den Südkreuz Offices wieder entspannter und experimenteller zugehen.

Es war ein Sonntag auf den Latifundien und ein Montag in den Südkreuz Offices. Berlin gab Klimakrise mit erst 35 Grad und dann sturmgefällten Bäumen.

In Berlin sah ich einen Elektro-R5 auf der Straße. Und falls das Auto an sich eine Zukunft hat, dann doch bitte in Form von bunten Elektrokleinwagen und nicht in Form von schwarzen SUVs.

Ich glaube ich habe einen Schwalbenschwanz gesehen

Der Schwalbenschwanz flog. Madame sah ihn auch. Der erste Gedanke war „Schachbrettfalter“, der zweite dann „zu groß, zu gelblich und das Muster ist typisch.“

Spannende Entdeckung zum Schachbrettfalter: Seit drei Jahren blogge ich über ihn und jeweils erscheint der Post am vorletzten Juniwochenende. Anscheinend ein Falter mit einem sehr zuverlässigen Jahresrhythmus.

Das Labkraut ist kurz davor die halbe Wiese mit seinen Blüten gelb einzufärben. Wir aber blieben der Wiese fern, denn sie ist schattenlos.

Nur Madame raffte sich tapfer auf, um Beete und Angesähtes zu gießen. Denn die Beete sind zwar prinzipiell trockenheitsliebend gepflanzt – aber so ganz ohne Wasser in gleißender Sonne müssten wir Kakteen pflanzen; und die wiederum würden noch den Brandenburger Winter nicht überstehen.

Ich bin mir sicher, ich habe ein Feuerwerk gesehen. Als der Abend erträglich wurde, liefen wir zu viert eine Runde durch die Felder. Und über die Felder, über den Wald, sahen wir in Richtung edler Hochzeitslocation; und wir hatten die Stunde der Abenddämmerung perfekt gewählt, denn wir sahen ein ebenso edles wie langes Höhenfeuerwerk über den Bäumen.

Die Brille gegen das Patriarchat

Samstagnachmittag kam Miss Bilanz. Sie brachte Besuch mit und die Brille gegen das Patriarchat.

Erst wollte ihr der Optiker feminine Brillen mit Schwüngen und Verzierungen verkaufen, weil sie so fröhlich und bubbly wirkt, Dann wies sie darauf hin: Sie hätte gern was gegen den Typ. Etwas, das Durchsetzungsfähigkeit verspricht, auch wenn es um Bilanzen geht. Der Optiker verstand: „Ah, eine Brille gegen das Patriarchat.“ Und diese trug sie nun.

Samstagnachmittag übte ich mich im Akzent raten. Der Miss-Bilanz-Besuch war gleichzeitig aus Hamburg und den USA angekündigt. Der Vorname gab sowohl einen deutschen wie amerikanischen Ursprung her. Die ersten Worte hörten sich muttersprachlich deutsch an. Sobald ein englischer Begriff ins Spiel kam, wurde es eindeutig amerikanisch. Nach einiger Zeit, mit etwas Fantasie, bildete ich mir ein, eine ganz leichte amerikanische Färbung im Deutsch zu hören – bis die Seattler Hamburgerin „Oha“ sagte – das war Hamburg pur.

Auf jeden Fall hatte uns Miss Bilanz eine hochspannende Gästin mitgebracht, deren Horizont locker von US-Politik, Hamburger Eigenheiten, der Soziologie des Nachrichtenskonsums bis hin zur Forschung zu Frauengesundheit reichte. Als wir schon vor dem Frühstück darüber sprachen, „Was ist für dich deutsch?“, war das ziemlich typisch. Eine Frage, die Miss Bilanz von ihrer deutschen Exkursionsgruppe mit teiltürkischem Migrationshintergrund aus Brüssel mitgebracht hatte.

Gewonnen hatte, wer die Spielkarten bei einer Böe rechtzeitig festhalten konnte

Zum Reden hatten wir viel Zeit. Denn wir saßen.

Wir spielten zwei Spiele: Erst, ausgiebig, Beamtenmikado – wer sich zuerst bewegt, verliert. Denn bei 35 Grad Außentemperatur war es zwar unter dem Sonnenschein mit leichtem Wind durchaus angenehm – aber halt nur bis zur ersten Bewegung. Alle „wir fahren am Tag nach Berlin“-Pläne unser Gästinnen zerschlugen sich schnell. Schnell war klar: Sie warten Peak Tageshitze auf den Latifundien ab.

Und nachdem wir dann am Nachmittag langsam den Punkt von Peak Tageshitze erreicht hatten, ein zweites Spiel Skyjo. Ein nettes Kartenspiel für Zwischendurch mit einfachen Regeln und doch ein klein wenig – 35-Grad-angemessen – Anspruch.

Die Berlinmeidung erwies sich als korrekt. Am späten Abend brachen wir schließlich bei 22 Grad in den märkischen Hamptons auf, um bei 29 Grad in Berlin anzukommen. Sieben Grad Temperaturunterschied auf vielleicht 35 Kilometer Luftlinie.

Der Sturm

Der Tag begann harmlos heiß und hochsommerlich. Die Sturmvorhersage hatte Madame veranlasst alle Fenster der Wohnung doppelt sicher zu verschließen, aber vom angekündigten Wind war noch nichts zu sehen als ich die Wohnung verließ.

Ich sah ein Paar mit Hartschaltenkoffern und Fahrradhelmen im Südkreuz. Allzeit gerüstet. Wahrscheinlich hatten sie die Sturmwarnung gelesen.

Einen Arbeitstag später: Als der Container mit dem Plastikmüll windgetrieben an mir vorbeirollte, dachte ich, das ist ja ganz schön stürmisch. Um mich herum kippten Motorräder und Baustellenabsperrungen um, ich selbst begann das in Dithmarschen eingeübte lehnen-gegen-den-Wind, um nicht selber umzukippen. Schnell entfernte ich die Kopfhörer – denn wenn davon einer locker gewesen wäre, wäre der erstmal 10 Meter geflogen, bevor er den Boden berührte.

Und nach 4 Minuten war alles vorbei. Ein Sturm, den selbst Küstenbewohner ernst genommen hätten, aber in einer Miniatur-Zeitausprägung. Seine Folgen allerdings hatte er in seinen drei Minuten hinterlassen: Tote und Verletzte, umgeworfene Bäume quer durch die Stadtteile, die Bahn über viele Stunden lahm gelegt.

Und so bizarr wie der Kurzsturm war, so geographisch begrenzt war er: am Südkreuz fuhren die Container, jedes einzelne Moped oder Motorrad lag umgeworfen, jede Baustellenabsperrung. Nur wenige Fußminuten entfernt an der Hauptstraße standen noch abgestellte Kaffeebecher auf den Stromkästen.

Persönlich tragisch: Eine Verkettung von Bahnumständen hatte Madame ungeplant nach Lübben gebracht. Und erst auf dem – eigentlich komplett unnötigen – Rückweg aus dem Spreewaldgurkengebiet, legte der Sturm zu. Sie strandete über Stunden am Ostkreuz, verbrachte einen unnötigen aber nicht ununterhaltsamen Abend in der S-Bahn am Gleis sitzend; dabei verfolgend wie Leute kamen, 20 Minuten saßen und wieder gingen, dann etwas später mit McDonalds-Tüten zurückkamen und weiter saßen.