Der Gare Francaise Tegel ist heute Veranstaltungsraum eines Altenheims. Mehr zur Geschichte weiß die Seite zur Kremmener Bahn.
Der Hüpfburgeneventanbieter in Tempelhof-Schöneberg nutzt auch dieses Jahr die Abendteuerland-Plakate. Langsam frage ich mich ob das d zuviel doch Absicht ist. Will er uns sagen: Abends teuer, vormittags günstig?
An der Dachbaustelle wird der Übergang zwischen Hauswand und Dach neu verputzt. Im Hof steht ein Schild eines Berliner Gipsbauputzunternehmens. Ich kann kaum das Fenster öffnen, weil herunterrieselnder Gipsputz fast erfolgreich die Fensterflügel mit dem Fensterrahmen verklebt hätte.
Wenn man mit dem ICE Berlin verlässt geht es erst über Felder und dann kommt eine überraschende Industrieanlage auf der Pelikan steht – Erinnerungen an Schulfüller werden wach. Aber nicht mehr: Das Werk wird abgerissen.
Höhepunkt meiner sportlichen Karriere im Zuschauersport war 1992 der Pokalsieg von Hannover 96 im DFB-Pokal der Männer: der Zweitligist aus Hannover mit einem der Überraschungserfolge des Jahrzehnts. Ich war in der wilden Party am Opernplatz. Montag erfahre ich durch Zufall: ein heutiger Kollege war damals beim Spiel im Stadion.
Mir träumte, ich wäre auf der re:publica. Die geträumte re:publica war aber nur ein Abglanz ihrer selbst. Im Park eines Tempelschlösschens auf einer Havelinsel richteten Johl und Bücherwürmlein ein Freilustessen. Die 30 anwesenden re-publica-Besucherinnen redeten nur von alten Zeiten.
Dickmaulrüssler
Madame schnitt einen wunderbaren Fliederstrauch zusammen, der auch die Berliner Wohnung mit seinem Besuch betört. Die Pfingstrosen täuschten an, blühten aber noch nicht auf.
Über den Latifundien ein Kranichschwarm, der den Zug nach Süden vergessen hat. Jahreszeitgemäß hingegen die Störche die mehrmals am Tag den Garten im Überflug passieren.
Nachdem Madame Emma Clines The Guest ausgelesen hatte, liest sie The Places in Between von Rory Stewart und empfiehlt beide Bücher sehr.
Nachdem ich letzte Woche über Pride-Kopfhörer sinnierte und mir Montag Regenbogen-Socken kaufte, machte ich am Wochenende Holz mit Motorsäge und Axt . Damit habe ich für diese Woche mein persönliches Genderspektrum abgeschritten.
Spannend auch die Schmerzverteilung beim ungeübten Holzhacker. Der Muskelkater begann direkt im Anschluss im unteren Rücken, wanderte bis zum Abend in die Unterarme und war am nächsten Morgen im oberen Rücken angekommen.
Wieder gab es Besuch am Frühstückstisch: keine Kürbisspinne, sondern ein Mai-Wurmrüssler aus der Familie der Dickmaulrüssler. Der ist als Pflanzenfresser und Löcherschneider in Rosenblätter bei uns nicht ganz so beliebt, sah auf dem blauen Shirt aber zumindest gebührend eindrucksvoll aus. Und angesichts des kompletten Kleinsttierzoos, den wir beherbergen, macht es eh keinen Sinn, einzelne „Schädlinge“ jagen zu wollen.
Da Madame wusste, wo man auf dem Dorf spontan große Gläser Ayvar bekommt (Lidl), konnte ich eine Balkan-Platte zubereiten. Das schöne: das Gemüse reicht aufgebraten noch für den nächsten Tag, das Fleisch noch für die nächste Woche und danach haben wir länger keinen Fleischhunger mehr.
Überhaupt schön, einen richtigen handwerklichen Schlachter nahe der Latifundien zu haben – der erfüllt sämtlichen Bedarf an Fleisch- und Wurstwaren.

Çay istiyorum
Verschiedene meiner Kleidungsstücke sind in den letzten Monaten altersbedingt auseinandergefallen. Ich beschloss dieses Problem anzugehen. Erst einmal mit der einfachsten Variante: zu TKMaxx am Kaiser-Richard-Platz fahren und dort Socken kaufen. Am Quengeltisch gab es dann noch sehr schöne hellblaue Macarons.
Wo ich aber schon am Richard-von-Platz war, galt es Veränderungen zu sehen. Das neu eröffnete Restaurant Sultan entpuppte sich als Hühnerbraterei, die auf den ersten Blick auch nicht anders aussieht als die sieben anderen Hühnerbratereien der Straße.
Besser waren die Nachrichten von Öz Gıda/ Öz Gida. Dies war immer der spannendste der diversen „türkischen“ Supermärkte der Gegend. Das größte, vielfältigste Angebot, die gigantische Fleischtheke mit dem weltbesten Köfte-Fleisch, die Şarküteri, schon früh gab es „deutsche“ Produkte wie Frischilch, deutsche Käsesorten et cetera. Im Schaufenster die Lobpreisung von Tim Raue. Es war immer eine große Schau.
Letztens fuhren wir im Bus am Laden vorbei und sahen aus dem Fenster nur leere Flächen. Oh nein! Wieder ein Opfer der absurd anziehenden Gewerbemieten der Stadt?
Da ich gerade in der Ecke war, also ein kurzer Gang der Neugier und ein Gang des Aufatmens. Öz hat umgebaut, die Blumenkränze von der Wieder-Eröffnung hingen noch an der Kasse. Weg vom „türkischen“ Supermarkt, hin zum „Multikulti Supermarkt.“ Der ganze Laden wirkt größer und edler. Die Produkte sind weiter diversifiziert, das Regal mit den Teekochern verschwand zum Beispiel ganz.
Die schriftliche Kommunikation verläuft komplett auf deutsch. Selbst auf der Website fand ich nur mühsam einen türkischen Teil, wo der Laden noch (eigentlich korrekt) Öz Gıda geschrieben wird und nicht Öz Gida.
Denn, das blieb von den ehemaligen Türkisch-Kursen hängen. Das ı, also das I ohne Punkt, ist ein eigenständiger Laut, ein Stoßlaut, etwa entsprechend dem e im Wort Dschungel. (oder genauer: der ungerundete geschlossene Hinterzungenvokal (IPA ɯ))
Deshalb gibt es im Türkischen auch ein großes I mit Punkt: İ.
Das andere was vom damaligen Kurs hängenblieb, ist der Satz Çay istiyorum – ich hätte gerne jetzt einen Tee.
Frisbee
Mein Herz blutet ein wenig. Im Odeon-Kino um die Ecke läuft eine Wes-Anderson-Retrospektive und ich lasse mir gerade Grand Budapest Hotel, Darjeeling Limited und Rushmore entgehen.
Aber nachdem das lange Wochenende (geplant) nur sehr langsames vorsichtiges Herantasten an die Bachelorarbeit enthielt, wollte ich das Tempo erhöhen. Erstmal wieder ins Thema kommen.
Ich absolviere noch einmal den Hasso-Plattner-Kurs zur Programmiersprache R, der mich damals überhaupt erst auf den Geschmack mit der Sprache gebracht hat – und ich schaue Youtube-Videos zur Linearen Programmierung und zum Simplex-Algorithmus.
Die üblichen Mathe-Tutorials helfen mir nicht viel. Die sind als Lockerungsübungen ganz okay. Aber die beschreiben halt die Anwendung „du hast ein lineares Gleichungssystem und willst es mit Simplex lösen – was machst du?“
Die Frage, die mich ja interessiert, geht eher in die Richtung: Warum und wie funktionierst das überhaupt? Wie kann es sein, dass eine ziemliche einfache Handlungsanweisung (Suche das Element – bringe es auf 1 – subtrahiere und addiere ein bißchen durch die Zeilen) so viel an Erkenntnis bringt und auf so viele Fälle anwendbar ist?
Um so mehr freute mich das Video 15. Linear Programming: LP, reductions, Simplex der MIT OpenCourseWare. Es handelt sich anscheinend um eine abgefilmte Informatik-Vorlesung des MIT mit Dozent Srinivas Devadas. Die Vorlesung beantwortet nicht alle meine Fragen – aber dafür auch andere gute Fragen, die ich mir selber gar nicht erst gestellt hätte.
Auch fasziniert bin ich von der didaktischen Methodik: Ein Mann, eine Tafel, Kreide; keinerlei Multimedia-Schnick-Schnack, fast keine Gimmicks – und doch klebe ich geradezu an seinen Lippen, weil es so mitreißend ist. Endlich auch mal ein Mensch mit einem vernünftigen Redetempo.1 Fast lachen musste ich beim Abschnitt, dass die Gleichungssysteme aus Gleichungen (equalities) und Ungleichungen (inequalities) besteht, und „The inequalities, they are the fun part.“
Der einzige Gimmick: Student*innen, die eine Frage gut beantworten, bekommen als Belohnung beiläufig eine lila Frisbeescheibe von einem Stapel lila Frisbeescheiben zugeworfen. Das passt vom Stil.
Vier Hochzeiten und eine Brennesselsuppe
Nils Minkmar hat schlechte Laune und sein Newsletter ist noch besser als sonst:
Die extreme Rechte ist auf Massenmedien angewiesen, es ist eine historisch bewährte Partnerschaft. Schon dort vorzukommen ist ein Erfolg. Die meisten Menschen denken nicht radikal, möchten aber informiert bleiben und wenn dann die Themen, Vorschläge und Personen der Rechten abgebildet werden, unabhängig von ihrer realen exekutiven Macht, dann nimmt das Publikum all das ernst.
Eine große Hürde beim Thema Demiliardärisierung stellen Zahlungssysteme dar. Irgendwie gibt es faktisch fast nur noch Visa, Mastercard oder Paypal. Um so gepannter verfolge ich die europäische Alternative Wero. Mit der kann man sich schon länger als Privatperson Geld schicken, jetzt wird expandiert: Wero für Solo-Selbstständige geht in Betrieb
Mein Internet war damals so ähnlich. via (louise)
Margrit erzählte wie sie und Wally viermal heirateten: Private Feier – Eingetragene Lebenspartnerschaft – Erster Versuch der Umwandlung in eine Ehe– Hochzeit im Standesamt
Noch ein Freund des grillifrlns.
Joel aß Brennesselsuppe (via readinginsweden)
south spielt mit dem Halluzinator
Hallo Halluzinator, illustriere den vorhergehenden Text und gib mir ein paar Empfehlungen.

Empfehlungen
Outfit: Ein leichtes, gewaschenes Leinenhemd, offen über einem Pride-T-Shirt, kombiniert mit bequemen Workwear-Hosen mit großen Taschen (für Notizbuch, Taschenmesser, Macarons). Dazu alte, gut gepflegte Wanderschuhe.
→ Begründung: Urbaner Waldläufer trifft re:publica-Geist, mit dem Körperbewusstsein eines Holzhackers und dem Stil eines Flaneurs.
Kulinarik: Geräucherte Aubergine mit Minze, Granatapfelkernen & veganem Joghurt
Getränk: Ein trockener Raki mit eiskaltem Wasser Warum:
Ein Echo der Şarküteri, ein Gruß an das Multikulti-Bord des ehemaligen Öz Gıda. Räuchrig, frisch, kühlend – ein Auftakt, der Flieder und Sprachen öffnet.
Film: „Gleaners and I“ von Agnès Varda – urbane Blicke auf das Übersehene, zwischen Sperrmüll und Macaron.
Buch; Henri Lefebvre – Die Produktion des Raumes / Für das Denken von Infrastruktur, Verputzarbeiten und Supermarkträumen als gesellschaftlich konstruierte Bühne.
Musik: Sezen Aksu – Gülümse (Ein melancholischer Optimismus, wie eine Kranichformation, die zu früh oder zu spät aufbricht.)
Ein türkischer Limerick
Bir pencere sıvayla dolmuş,
Dış dünya içten unutulmuş.
Çoraplar renkli,
Ayvar’la denkli —
Gündelik rüya gibi solmuş.
Ein Fenster vom Putz überzogen,
hat Außen und Innen verbogen.
Die Socken sind bunt,
der Ayvar gesund –
der Alltag: ein Traum, leicht verflogen.
Erklärung:
Reimschema: AABBA – wie im klassischen Limerick.
"dolmuş / unutulmuş / solmuş" bildet den äußeren Rahmen (A-Reim): alle mit dem Past Participle -muş, was perfekt zur leicht resignativen Stimmung passt.
"renkli / denkli" bilden den B-Reim in der Mitte – farbig & passend.
"Ayvar’la denkli" ist bewusst leicht schräg – es suggeriert „im Einklang mit Ayvar“, also dass auch Farben, Alltag und Speisen in Harmonie stehen.
„Gündelik rüya gibi solmuş“ – der Alltag ist wie ein verblassender Traum.
- Okay, der Effekt funktioniert vermutlich nur, wenn man ein Herz für lineare Gleichungssysteme, erklärt auf englisch, hat. ↩︎