Teil des Alten Markts in Posen mit Renaissancefassaden, einer leichten Schneedecke und Baumaschinen.

23-01-31 Blauer Umschlag in roten Umschlag

Ich wählte. Passend zur neuen Zopfmusterstrickjacke und Lesebrille entschied ich mich gegen sentimentales Mitleid (SPD) und auch gegen überbordende Verspieltheit (Volt, Bergpartei, Urbane) sondern wählte erwachsen-rational. Irgendwie schade. Aber ich hoffe, mir wird in Fahrradwegen gedankt werden.

Madame las Vulture. Wenn uns Netflix schon keine Making-of-Audiospuren anbietet, können wir wenigstens kommentierende Recaps lesen. Passend dazu bekamen wir in den letzten Tage gleich drei Exemplare des eigentlich zweiwöchentlich erscheinenden New York Magazines. Auch mit der schönen jährlichen Jahresendausgabe „Reasons to love New York.“

Reasons to love Posen, Polen gibt es einige. Da wäre zum Beispiel der Stary Rynek, der alte Marktplatz. Der wird gerade – wie ein Großteil der restlichen Innenstadt – von der Mutter aller Baustellen heimgesucht; und er ist immer noch schön.

Posen entstand als Doppelstadt: die Kirchenstadt auf der Dominsel mit Dom, Kirchen und geistlichen Gebäuden. Und die Bürgerstadt entstand an einem Ufer der Warthe um den Alten Marktplatz herum.

Entstanden 1253, an jeder Seite 141 Meter lang und erstaunlicherweise fast vollkommen ein Produkt des Nachkriegs-Wiederaufbaus. Die Häuser wurden ihren Renaissance- und Barockvorbildern nachempfunden, sind mittlerweile auch wieder einige Jahrzehnte alt. Und sie haben Ausmaß, Gliederung und originalähnliche Farbgestaltung. Es reicht alles sofort, um damit ein Bilderbuch über Europäische Städte zu illustrieren. Dominierendes Bauwerk ist – wenn nicht gerade Baustelle ist – das zentral gelegene Rathaus von Giovanni Battista di Quadro aus Lugano. Nur die beiden Zentralbauten erinnern an ihre Bauzeit in den 1950ern. Kann man als störend empfinden oder als reizvollen Kontrast sehen.

Unsere wichtigste Anlaufstelle war die Touristinfo gegenüber dem Rathaus. Um den Marktplatz herum sind fast ausschließlich Restaurants und Clubs. Selbst im Januar inmitten der Mutter aller Baustellen waren viele junge Einheimische am Feiern als wir dort waren.

(Für ein paar Nicht-Baustellen-Fotos) Und selbst die Autoren von Hidden Europe, Fans und Kenner aller Polnischen Marktplätze halten es für möglich, dass derjenige in Posen ihrer Liebster ist – nicht ganz bilderbuchperfekt, aber voller Leben. (Letter from Europe: Polish Town Squares und mit der Befürchtung, dass auch er dem Tourismus anfallen wird: Poznan Blues).

Obwohl so ein Wochenende im Ganz-Woanders einen ja gerne aus dem Alltag herausreißt, und man etwas Mühe hat, wieder anzukommen, ging das bisher erstaunlich gut. Ich freue mich ja immer besonders, wenn ich noch unbekannte Badleitungen kennenlerne. Zusatzfreude, weil wir gerade einige länger andauernde Problemnervereien wegzubekommen scheinen.

In Friedenau eröffnete eine israelische Bäckerei, schreibt der Tagesspiegel. Das Dschungelcamp hätte gar nicht erst stattfinden müssen – es war ja von Beginn an absehbar, wer gewinnen würde.