Kärtchen mit einem wilden Farbmuster. Ein Teil ist bedeckt mit einem Rotfilter, der eine Ziege sichtbar macht.

23-01-29 Do zobaczenia w Poznaniu

Die kühle Schöneberger Wohnung hat uns wieder. Der Eurocity brachte uns zurück aus Posen und es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis alle Eindrücke verarbeitet sind, der Ansturm von Neuem seinen Platz im Hirn gefunden hat.

Bisher weiß ich nur: Krass, dass man zweieinhalb Stunden Zugfahrt in einer anderen Welt ankommen kann. Schön, wie lebendig, sympathisch, abwechslungsreich und einladend diese Welt war.

Zuerst ein erstes Festhalten dessen, was war:

Freitag

Freitag um 17:52 ging es am Berlin-Hauptbahnhof in den EC 249 (Berlin-Warschau-Express). Das Fahrmaterial wurde gestellt von der Polskie Koleje Państwowe, das Personal war bis Frankfurt (Oder) deutsch, danach polnisch. Zug halbleer, um uns die beiden polnischen Familien (zwei Mütter mit insgesamt drei Kindern), die unerfindlich die Hälfte der Zeit englisch miteinander sprachen. Ankunft in Posen viertel vor neun. Wir nahmen ein Uber ins Hotel, warfen die Koffer ins Zimmer und zogen gleich weiter zum Stare Miasto, dem alten Markt, um im Wiejskie Jadło zu essen. Zum unkomplizierten Anfang unserer Reise gab es klassische polnischer Küche: Oscypek-Käse, Schmalzstullen, eine Auswahl an Pierogi, Käsekuchen und eine Art Topfenstrudel. Plus Bier für 170 Złoty.

Danach: „Ich bin ein Star“ auf dem Hotelfernseher.

Samstag – Dominsel

Samstag, Hotelfrühstück, irgendwann gegen 10:00h Aufbruch zur Tourist-Info am Alten Markt, um uns einen einfachen Stadtplan zu besorgen. Die Jakdojade-App (die ist soo toll!) empfahl uns einen kurzen Fußweg und dann die 98er-Tram zur Haltestelle Katedra, um zur Dominsel zu gelangen. Wir besichtigten den Dom (speziell: Backsteingothik in Katholisch – wie halt zur Bauzeit alle Backsteingothik-Kirchen gedacht waren) und umrundeten die Dominsel. Schauten von der Brücke in den Fluss Cybina.

Da wir per Jakdojade (die App ist so toll) gleich ein Wochenendticket gebucht hatten, nutzten wir das, fuhren mit der 98 im Kreis und wieder urück zum Ausgangspunkt. Zu Fuß weiter durch die Stadt zum Zamek, dem ehemals preußisch-wilhelmischen Kaiserpalast und vor allem zur Enigma-Ausstellung.

Samstag – Enigma

Die war sehr beeindruckend, dazu später mehr. Nur kurz: Enigma war die Maschine mit der die deustche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg ihre Kommunikation verschlüsselte. Dank Briten und Polen konnten diese Nachrichten schon früh entschlüsselt werden, was entscheidenden Einfluss auf den Kriegsverlauf hatte.

Die Ausstellung ist aufgeteilt in zwei Teile: Der erste Teil empfindet den Kryptographie-Kursus nach den die drei polnischen Dechiffrierer Marian Rejewski, Jerzy Różycki und Henryk Zygalski als Mathematikstudenten im Posen der 1920er durchliefen – es wird dargestellt, in dem man selber einen Crash-Kurs zum Thema Ver- und Entschlüsselung durchläuft mit zahlreichen praktischen Übungen.

Kärtchen mit einem wilden Farbmuster. Ein Teil ist bedeckt mit einem Rotfilter, der eine Ziege sichtbar macht.
Eine der ersten Übungen im Kryptographie-Kurs: Steganographie. Die Nachricht ist nicht verschlüsselt, aber versteckt. Nur wer weiß, dass dort eine Nachricht ist, wird sie (wie hier mit Hilfe eines Farbfilters) sichtbar machen können. Die Ziehe ist das inoffizielle Wappentier Posens.

Im zweiten Teil weiß man dann ja schon gut wie Verschlüsselung funktioniert, und kann den historischen Teil, was genau die drei machten, um Enigma zu entschlüsseln – und wie überhaupt die Enigma-Maschine funktionierte, viel besser würdigen. Wir hielten uns dort gut zwei Stunden auf, bevor es mal wieder zu Fuß durch weitere Teile der pittoresken Posener Innenstadt wieder zum Hotel ging.

Samstag – Kommunales Bad Rataje

Wir griffen Schwimmsachen, nahmen die 13er Tram bis zur Haltestelle Wioślarska und liefen zur Pływalnia kryta Rataje, dem „Städtischen Schwimmbad [im Stadtteil] Rataje.“ Wir zogen die ein oder andere Bahn und erfreuten uns danach kurz am ungewohnten Luxus eines 32 Grad warmen Nichtschwimmerbeckens. Zurück mit der Tram, auf zum Essen.

Nach einem kurzen Abstecher durch die Haupteinkaufsstraße, der Pólwiejska, war uns experimenteller beim Essen zumute. Wir kehrten im Laboratorium Smaku ein. Die waren so wenig auf Touristen eingestellt, dass wir beim Bestellen dreiviertel geraten haben was wir bestellten. Wir wurden mit außergewöhnlicher Darreichung von schönem Essen belohnt. Als Vorspeise Grützwurstkroketten mit Cranberry-Apfel-Salzgurke und Pilzsalat, danach Pad Thai und Wiener Schnitzel. 180 Złoty für zwei Gänge plus Wein.

Danach: „Ich bin ein Star“ auf dem Hotelfernseher.

Sonntag

Heute Hotelfrühstück. Ein Fußweg wieder über den Alten Markt (der es schafft trotz einer Riesenbaustelle immer noch echt schön auszusehen) zur „Neuen Synagoge“, die wir auch aus der Nähe sehen wollten. Die stammt aus dem 19. Jahrhundert, wurde von den Nazis in ein Schwimmbad umgebaut, die polnischen Kommunisten haben das Schwimmbad gleich weitergenutzt und mittlerweile steht das Gebäude leer. Beeindruckender Bau, traurige Geschichte.

Zu Fuß noch mal ernsthaft Posener Geschäftsinnenstadt besichtigen/bebummeln. Dabei staunten wir über hunderte (tausende?) junger Menschen bester Laune in Teils aufwendigem Cosplay mit Spendendosen; sowie darüber, dass jeder zweite Mensch in der Stadt einen Herzaufkleber trug, den man bei den jungen Menschen gegen eine Spende erwerben konnte. Schließlich wurden wir aufgeklärt: Heute ist der Abschlusstag des Wielka Orkiestra Świątecznej Pomocy (des Großen Orchesters der Weihnachtshilfe), eines jährlichen Charity-Events, der polenweit durchgeführt wird und anscheinend eine heftige Resonanz in der Bevölkerung findet.

Danach dann (mit der 9er- und der 6er-Tram) zum Bahnhof, noch Zeit im Shoppingzentrum Avenida vertreiben und die Sahnetörtchen-Auslage der Bäckerei dort bewundern. Um 15:26 stiegen wir in den pünktlichen Fahren EC 44 (Warschau-Berlin-Express), der uns kurz nach 18 Uhr wieder in Berlin Hauptbahnhof aussteigen ließ.