25-04-07 Peak Taubnessel

Ein fauler Tag am Sonntag, und das ist auch gut und notwendig so.

Mir träumte, ich suche einen Kollegen an einer russischen Universität. Ich bin legitim dort, darf also durch das Gebäude im Zuckerbäckerstil laufen. Dennoch ist eine Stimmung von Angst und Furcht greifbar. Wachsoldaten in Camouflage reiten auf Nashörnern und greifen wahllos dunkelhäutige Menschen aus der Menge.

Nach dem Aufwachen: Das Radio verkündet einen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Auch nach drei Jahren in diesem Umfeld muss ich mich noch an den Gedanken gewöhnen, dass es dabei um mein höchsteigenes Gehalt geht.

In der Zeit steht etwas von „Wir linke Bildungsbürger dachten..“ und es beruhigt mich, dass ich bei diesem „wir“ keinesfalls mitgemeint sein kann. Generell wäre es mir unheimlich, wenn ich erfolgreich von einem deutschen Medium gewirzt werde.

Aus Gründen lese ich derzeit ein paar Unternehmensberatungs-Whitepapers zu KI und muss oft an Debbie denken. In den meisten der Papers könnte man KI durch „Magical Fairy Dust“ ersetzen, ohne dass es an Substanz einbüsste.

Nachtrag vom Samstag: Anscheinend hat inzwischen wirklich die gesamte Zielgruppe ein bis drei Gasgrills und Außenküchen gekauft. Die entsprechende Abteilung im Baumarkt rüstet auf Pizzaöfen um.

Das keineswegs perfekte Grau

Ausgelesen: Das perfekte Grau. Roman, 2024 von Salih Jamal.

Eine Gruppe von vier Outcasts zieht auf der Flucht vor der Polizei und sich selber vom einem heruntergekommenen Hotel an der Ostsee auf Boot und Fahrrad quer durch die Mecklenburgischen Seen.

Karls Erdbeerhof hat einen Cameo-Auftritt. Am Ende geht es mit den Zug nach Salzburg und Altötting,. Dort finden sie sich mehr oder weniger selbst. Außerdem beschließen sie, dass das mit der Polizei gar nicht so schlimm ist und es keinen Grund zum Weglaufen gibt.

Zentraler Teil des Buchs sind die Kapitel zwischen Hotel und Erdbeerhof, die bei mir im besseren Sinn Huckleberry-Finn-Erinnerungen auslösten. Gehobene Unterhaltungsliteratur mit Abenteuerromanflair.

Beim Lesen war ich weiterhin mittelglücklich. Ich kam zum Fazit, dass es halt ein Jungsbuch ist. Bei der Erkenntnis half, dass sich der Ich-Erzähler gerne auf die beiden berühmten Jungsbücher Herr der Ringe und Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen bezieht.

Mich ärgerte, dass es eigentlich nicht vier Charakter gibt, sondern drei Charaktere und ein Vehikel, um Plot und Charakterentwicklung der Anderen voranzutreiben. Die Rolle des Plot-Vehikels wird von Novelle eingenommen: 20, weiblich, durch sexuellen Missbrauch schwer traumatisiert und in ihrer Stellung im Buch irgendwo zwischen wildem zu zähmenden Tier und MacGuffin.

Dass Novelle nun auch noch alle 50 Seiten nackt durch die Szene hüpfen muss.. In meinen gnädigeren Momenten denke ich „Jungsbuch halt“, in meinem ungnädigeren „Missbrauch des Missbrauchs.“. Mit einer Schatzkarte als Plottreiberin statt Plotmissbrauch des sexuellen Missbrauchs wäre ich glücklicher gewesen.

Alkmene sägen

Die Regionalnachrichten drohen mit Schäden für die Obstbauern durch die kommenden Nachtfröste. Wir haben Glück; unsere windausgesetzte Ecke ist so kalt, dass die Obstbäume noch gar nicht blühen. Und wo keine Blüte ist, kann sie auch nicht erfrieren. Nur die Knospen sind schon da. Dieses Jahr als Premiere auch beim Pfirsich.

Alle Narzissen sind schon da. Fast alle zumindest. Nächstes Wochenende wird Peak Narzisse.

Die Taubnessel blühen alle. Größere Taubnesselteppiche neben der Pergola, um den Süd-Sonnenschirmständer herum und am großen Gartenvulkan. Viele der Taubnesseln sind aber offensichtlich kurz vorm Aufgeben. Die allererste Phase des Frühlings geht bereits vorüber.

Die Wildkamera zog um. Wir gehen seit Jahren davon aus, dass jede Nacht eine Katze einmal über das Auto läuft und dann auf dem Hintern die Frontscheibe herunterrutscht. Aber Samstag, nach eingehender Betrachtung der Fussspuren, hielten wir auch auch einen Waschbären für möglich.

Na, wozu haben wir eine Kamera: Sie löste aus. Sie zeigt ein unscharfes Tier von hinten, das sowohl Katze wie auch Waschbär sein kann. Das Foto war nichts.

Und wer ist schuld: Das stark reflektierende Autokennzeichen, dass anscheinend die komplette Nachtoptik des Apparats aus dem Tritt gebracht hat.

Madame stielsägte Alkmene. Danach saß sie auf der Terrasse und las Mediendidaktik.

Auf dem Grill dieses Wochenende die Bratwürste von Rinderstolz&Wildeslust. Käse-Jalapeño hat erfreulicherweise gegenüber letztem Jahr deutlich an Jalapeño zugelegt.

Und der Knecht hieß Malchus

Was für ein Evangelist. Meine Güte. Was für ein Evangelist.

Madame meinte, sie hat schon viele sehr gute Evangelisten in Johann Sebastian Bachs Johannespassion singen hören. Aber noch nicht einen solchen. Ich hörte eh viel weniger Aufführungen davon – und stimme zu. Wie Raphael Höhn einen ganzen Abend lang die Spannung seiner Rolle hielt und dabei auch noch so klar sang – große Oper mindestens.

Selbst das eigenlich auch herausragende Vokalensemble von Vox Luminis und das Freiburger Barockorchester strahlten nicht ganz so herausragend.

Es war ein eindrucksvoller, erinnerungswürdiger Abend. Im Programmheft lese ich zum Stück „Dramatisch. Den Zeitgenossen zu opernhaft.“ Und große Oper war es wahrhaftig.

Er begann friedlich am Potsdamer Platz bei Sommerrollen und Teriyaki Duck im Viet Bowl. Dann ein kurzer Bummel, mal die aktuelle Version des Platzes anschauen, dann auf zum Kammermusiksaal der Philharmonie.

Ein Klassiker des Osterrrepertoirs kam zur Aufführung. Wir beide stellten fest, dass wir das Stück vermutlich noch nie mit einem wirklich guten professionellen Chor gesehen haben – ist es doch auch ein Klassiker für den ambitionierten Hobbychor mit zugekauften Profi-Solostimmen. Aber hier, lauter Schaffende, die sich auf Barockmusik spezialisiert haben.

Der Saal leider nur zu Dreivierteln voll, dafür akustisch mehr als gefüllt.

First Class Railway Cookie

Während wir in einem opernhaften Oratorium waren, besuchte Peter Coles eine echte Oper: The Welsh National Opera’s new production of the Opera Peter Grimes by Benjamin Britten

Schirn-Sehnsucht. Dort gab es unter anderem “Seven Women Standing in the Way” zu sehen.

Ich würde morgen nach Wohnungen in Chemnitz suchen, wenn wir nicht die jetzige und die zukünftige sächsischen Landesregierungen miterben würden. (Als Landesbeamte ist das noch einmal ein anderer Deal). Auch Thomas fragt sich: Bleiben oder gehen? Diese Frage stelle ich mir nach jeder Wahl hier im Osten Deutschlands.

Als wir 2012 das erste Mal nach 30 Jahren bzw. das erste Mal überhaupt in den USA ankamen, war der Abend so geplant, dass wir uns nur noch vom Flughafen Baltimore in das nächste bequeme Hotel shuttlen lassen und da akklimatisieren. Das allererste was wir in den USA bekamen, war DER KEKS. Auf jeden Fall auf ewig wird dieser warme schokoladige Keks die besten Erinnerung in mir wachrufen. Da es auf absehbare Zeit nicht nach Baltimore gehen wird, gibt es bei Frau Küchenlatein ein Rezept: DoubleTree Schokoladenkekse

Ein Gericht, das First Class Railway Curry heißt, muss einfach gut sein.

Ein Gedanke zu „25-04-07 Peak Taubnessel“

  1. Bleiben oder gehen? Diese Frage muss ich mir glücklicherweise nicht stellen, da hier im katholischen Münsterland die unsäglichen Blauen noch im einstelligen Bereich sind. Aber wohin reisen und wohin nicht – diese Frage stelle ich mir. Und da haben die östlichen Bundesländer und die USA aktuell ganz schlechte Karten…

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