Madame übt für den Rundfunkauftritt.
Im Briefkasten entdeckte ich die Gasabrechnung für 2022. Die war erfreulich. Unsere letzte eigene Abschlagsanpassung im Spätsommer lief unter der Vorraussetzung „Alle denkbaren Schlechtszenarien treffen ein“. Sie trafen nicht ein.
Den Briefkasten passierte ich als ich auf dem Weg zum innerstädtischen Sightseeing war. Er führte mich zu „Berlins No.1 Frische Center“ im Forum Steglitz; einem neuen Großflächen-Edeka, der vielleicht – hoffentlich nicht – verkörpert, wie Edeka sich die Zukunft des Einkaufs vorstellt. Meine Eindrücke waren, in zeitlicher Reihenfolge:
(1) Überraschend ramschig
(2) Sehr eng
(3) Echt bizarr.
Samstag Nachmittag ist nicht der optimalste Zeitpunkt, um einen Supermarkt zu erkunden. Aber der Müll, den ich schon vor dem Edeka antraf war nicht gut. Dass ich nicht einmal einen Entsorgungsort für die Einkaufsreste fand, die mir mein Vorgänger im Einkaufswagen überlassen hatte, erklärt vielleicht Teile des herumliegenden Mülls. Auch leere Großgebindeverpackungen in den Regalen wirkten nicht heimelig.
Warum noch vor dem Eingang des Edekas der Zukunft eine größere Fläche gefüllt wird mit Toilettenpapier und H-Milch „billiger als zum Discountpreis“ – das mag vielleicht realistisch sein, dass irgendwann alle Supermärkte so aussehen. Aber einladend geht anders. Es passte ins Bild, das zahlreiche Schreibfehler auf Schildern auftauchten. Minutenlang erklang eine Warnsirene aus der Fleischkühlung, die auch drei ratlos davor stehende Mitarbeiter:innen nicht ausschalten konnten.
Eng: Ich ging durch die überraschend kleine Gemüseabteilung und schlenderte im Sightseeingmodus. Ein junger Mann, offensichtlich in anderer Mission, rammte mir mehrfach seinen Einkaufswagen in die Hacken, weil zwei Einkaufswägen dort nicht durch den Gang passten. Für einen modernen Supermarkt wirkt es alles überraschend vollgestopft. Die warme, stickige Luft verstärkte den Eindruck effektiv.
Bizarr: Neben den offensichtlichen Nachteilen gibt es auch große Veganbereiche, einen ausladenden Dry-Aged-Rindfleischschrank und die beste Berliner Fischtheke südlich des KaDeWes. Das Personal an den Bedientheken ist von einer höflichen Freundlichkeit, die in Berliner Supermärkten positiv auffällt. Der Laden hatte ein komplettes Alpro-Sortiment. Ich hätte mir Edelfleisch aus der Theke direkt an einer der Bedientheken braten lassen können und vor Ort verzehren. Auch die Käsetheke gehörte zu den besten 10% die ich bei Edeka gesehen habe. Das Drogeriesortiment war für einen Supermarkt eindrucksvoll.
Der rationale Soziologe in mir sagte: „Führung im Team. Widersprüchliche Zielvorgaben. Überlappende Kompetenzen, und niemand redet miteinander.“
Der desorientierte Besucher in mir fragte sich: „Warum bezeichnen sie selbst ihr Gemüse als ‚Grünzeug‘ „? Warum kann ich zwar aktuell fünf Sorten frische Austern kaufen, aber Nicht-ESL-Milch ist aus? Warum hängen Schleich-Pferde neben den Erdnüssen? Warum liegen Wolldecken neben der Milch?
Warum stehen auf dem Gang zu den Toiletten lauter Infarm-Kräuterschränke? Der Ansatz, die Kräuter direkt im Supermarkt zu ziehen ist löblich. Auch befinden sich die Kräuter in verschlossenen Glasschränken mit eigener Kliamreguliereung. Aber welcher Kunde käuft diese, wenn er weiß dass sie einen Meter neben der Herrentoilette gewachsen sind? Und warum überhaupt heißt die Toilette ‚Lokus‘? Warum gibt es einen Probierstand für etwas, aber am Stand steht nicht angeschrieben, was man dort probieren kann? Warum sieht das vieles so lotterig so aus wie in den ehemaligen Real-Märkten aber es gibt neben den Austern auch göttliche aussehende Schollen und Biolachs an der Fischtheke?
Gut, dass mir der Sonntag bleibt, um diese Erfahrung zu verarbeiten.
Im Fernuni-Moodle entdeckte ich ausreichend Ergebnisse der Objektorientierten-Programmierungs-Einsendeaufgaben, um zu wissen, dass ich mich auch hier für die Klausur qualifizierte. Ich gewann damit also noch mehr lernen und den sicheren Klausurtermin Mitte Februar. Also auf zum Lernen. Ich begann mit „Fernuni & Chill“ und schaute die Erklärvideos, um mich langsam wieder ins Thema einzugrooven. Das war schön – auch weil es mir selbst vergewisserte, dass ich zumindest die Grundlagen von das alles ziemlich gut kann.
Abends ging es zu Asterix-Freunden und den Alemannen.
Ars Technica veröffentlicht einen spannenden Artikel zu „I disconnected from the electric grid for 8 months—in Manhattan„. Es klingt realistisch. Methoden: Er kann aufs Dach und dort eine Solarbatterie laden. Für Notfälle gibt es Strom an der Uni (er ist Teil des Uni-Lehrkörpers). Essen besteht zum Großteil aus rohem Salat, Fermentiertem und Stew, dass sich in Mehrtagesvorräten auf einmal mit einer Solarbatterieladung herstellen lässt. Er passt seinen Tagesrhythmus der Sonne an. Der Verzicht auf Radio, Fernsehen, Social Media ist offensichtlich. Interessant zu lesen, wie man das Leben verändern muss, um in einer Großstadt 2022 ohne Strom aus dem Netz leben zu können. Nur eine Frage beantwortet er mir nicht: wie wäscht er seine Kleidung?