Beim Pfingstspektakel am Schloss Oranienburg tritt Versengold auf – sicher eine Band ehemaliger Friseure.
In der Hafenstadt traf Madame einen Biber, der sich kurzzeitig als alter, dicker Hund auf einem Radweg tarnte.
Kurz fühlte ich mich am Südkreuz wie am Gare de l’est. Erst spielte ein kompetenter Mensch das Bahnhofsklavier. Dann kam ein Zweiertrupp der Bundespolizei mit Helm, schusssicherer Weste und Sturmgewehren/Maschinenpistolen.
Ich erinnerte mich daran, dass Madame vor einigen Jahren an einem möglichen Terror-Hotspot arbeitete. Dort bekamen sie von der Polizei gesagt „Präsent sind wir immer. Wenn sie uns sehen, dann weil wir wollen, dass sie uns sehen. Wenn sie sehen, dass wir bewaffnet sind, dann weil wir wollen, dass sie sehen, dass wir bewaffnet sind.“
Und dann fragte ich mich, für wen die Sturmgewehrvorführung gedacht war.
Im Bus lag ein herren- und damenloser Apfel. Das war sehr ungewohnt. In meiner Erwartung korrespondieren bestimmte Konsumgewohnheiten (Bier) und das Herumliegenlassen von Müll. Oder eben nicht. Wer Äpfel auf dem Weg ist, verursacht mit diesen keinen Müll.
Madame lauschte Severin von Eckardstein beim Berliner Klavierfestival im kleinen Saal des Konzerthauses. Er spielte:
- BEETHOVEN Sonate op. 31 Nr. 2 „Sturm-Sonate“
- MENDELSSOHN Fantasien op. 16
- DEBUSSY Nocturne, Isle joyeuse
- BRAHMS Cappriccio op. 76 Nr. 1, Ballade op. 10 Nr. 4
- MEDTNER Sonate op. 25 Nr. 2 „Nachtwind“
Ihre Beschreibung: Sehr eigenwilliger Pianist, aber tolles Klavierspiel. Sehr nerdiges Publikum. Und insbesondere die Medtner-Sonate ist der Irrsinn.
Mein persönlicher Zustand: Erst die S-Bahn-Stationen Westkreuz und Westend verwechselt, dann übersehen, das mein anisierter Schwimmbadbesuch in eine nur-Vereine-Zeit des Bades fällt und deshalb nicht stattfinden kann. Gut, dass ich heute abend danach nur an der Bachelorarbeit weiterarbeitete.
Ich bin weiterhin fasziniert, wie schnell diese ganzen Optimierungsprobleme in Regionen abdriften, in denen auch Computer im Jahr 2025 ins Straucheln geraten. Ich fand in der Open Learning Library der MIT den Kurs Optimization Methods in Business Analytics. Nach den ersten zehn Minuten: Lineare Probleme können sehr aufwendig sein, sind aber im Grundsatz fast immer lösbar. Nicht-lineare Probleme sind in den meisten Fällen komplett out of reach. Also nicht unlösbar in einem mathematisch-abstrakten Sinne, aber unlösbar in dem Sinne, dass es niemand berechnen kann.
Blocksatz
Einer meiner unerfüllbaren Träume ist ein Computer aus Gusseisen. Da hat man was Solides. Dieser Traum wird unerfüllbar bleiben. Aber als ich die neue Tastatur in den vierten Stock schleppte, fühlte ich mich meinem Traum näher. Das neue Aluminium-Plastik-Keyboard wiegt 1,2 Kilogramm – im Vergleich, die gleichzeitig gelieferte „normale“ Logitech wiegt 500 Gramm.
Auf dem Weg bis die Tastatur im Späti gelandet war, lernte ich viel über mechanische Tastaturen. Grundsätzlich: die mechanische Tastatur unterscheidet sich vom Standardmodell dadurch, dass beim Standardmodell eine durchgehende Gummimatte unter allen Tasten die Kontakte auslöst. Bei einer mechanischen Tastatur hat jede Taste einen eigenen Kontakt. Es ist also sehr viel aufwendiger in der Herstellung, aber unter anderem auch viel differenzierter zu gestalten.
Natürlich werden die Keyboards auch gerne von den Benutzern angepasst, die einzelne Teile tauschen. Die Kappen/ Keycaps sind das Teil auf dass die Finger aufschlagen. Die sollten sich gut anfühlen und widerstandsfähig sein. Die sind ohne Aufwand bei jeder mechanischen Tastatur tauschbar. Darunter liegen die Switches, also der Kontakt zwischen Taste und dem Board des Keyboards.
Ich lernte den Unterschied zwischen den verschiedenen Switch-Arten, lernte dass die Cherry MX Brown einen klaren Auslösepunkt haben und vergleichsweise leise sind, also eher was für’s Büro, während die MX Silver einen extrem kurzen Tastenweg aufweisen, also eher was für Gamer sind.
Edle Tastaturen sind Hot-Swap-fähig. Man kann nicht nur die Keycaps tauschen, sondern auch ohne Aufwand die Switche darunter. Man kann zum Beispiel unter dem Nummernblock andere Switche einbauen als unter den Buchstaben. Und es gibt sogar Switch-Tester – Mini-Tastaturen auf denen einfach verschiedene Switche eingebaut sind, damit man Haptik und Geräusch ausprobieren kann.
Vor der Mandoline die Pflaumen
An der Sachsendamm-Kreuzung Bettler, die die wartenden Autos abklapperten. Um 8:22h, bei einer Quote on 100% Pendler*innen und Handwerker*innen an dieser Stelle, sicher ein kärglicher Boden, den sie bearbeiten.
99% Tourist*innen hingegen bewegen sich in der neuen Kerb Food Hall am Potsdamer Platz. Zum ersten Mal seit dem Umbau war ich im neuen alten Sony Center. Ich vermisse die Dussmann-Filiale. Aber der Innenraum selber ist mit Brunnen und Bänken sehr viel netter geworden als zuvor. Ein Nicht-Ort gewinnt Aufenthaltsqualität.
Die Food Hall selbst hat ein klares Publikum: Tourist*innen, die erleben und erzählen wollen, wie special Berlin ist. Das ist alles Fancy, und die Essensstände (Berlinerisch mit Eisbein-Burger, Marokko, Indien, China..) wirken deutlich schicker und edgier als das was es an derartigen Touri-Hotspots sonst gibt.
Aber natürlich auch: wenn man weiß wo, und sich die Zeit nimmt, durch die halbe Stadt zu fahren, gibt es besseres Essen ähnlicher Art in passenderem Ambiente woanders. Dennoch: wenn wir zum Beispiel in die Philharmonie wollen, und vorher was zu essen suchen: die Tajines von Bab kommen definitiv wieder in die Auswahl.
Italopop mit dem Teufelsmandolinisten
Letztes Wochenende, auf der Autobahn, hörte ich sehr viel Italopop. Im weiteren Sinne Italopop war es auch, was im Kammermusiksaal der Philharmonie stattfand. Avi Avital, aktuell der Mandolinist auf der Welt, spielte Vivaldi und diverse Napolitaner aus dem 18. Jahrhundert.
Avi Avital und das Venice Baroque Orchestra spielten:
- Antonio Vivaldi -Concerto g-Moll RV 156
- Antonio Vivaldi – Concerto für Laute, zwei Violinen und Basso continuo D-Dur RV 93
- Giovanni Paisiello – Concerto für Mandoline, Streicher und Basso continuo Es-Dur
- Emanuele Barbella – Concerto für Mandoline, Streicher und Basso continuo D-Dur
- Antonio Vivaldi – Die vier Jahreszeiten (Bearbeitung für Mandoline und Orchester)
Eine spannende Mischung. Die Mandoline ist im Konzertrepertoire ja ein ungewöhnliches, fast möchte ich sagen ulkiges, Instrument. Die vier Jahreszeiten hingegen sind ein totaler Burner des Klassikradios, die best-of-Teile wahre Welthits.
Für das Konzert galt es, Alte-Musik-Nerdtum und Popular Classics zu vereinen.
Das Publikum: Im Vergleich zur Alten Musik war deutlich weniger strenge Kleidung in schwarz-braun-weiß anwesend, deutlich mehr Glitzerkleid. So weit so gut. Leider ließen auch grundlegende Regeln der Höflichkeit, wie „man soll nicht reden, wenn das Orchester spielt“ etwas zu wünschen übrig.
Die Künstler: ein schöner Mann, der, obwohl Israeli, sich mit breitester „ich-bin-ein-schöner-italienischer-Mann“-Brust und wallendem Haar auf die Bühne setzte. Ein Konzertmeister, der nicht ganz so schön war, aber dafür Italiener und die breite Brust auch konnte. Da wurde jede Note nicht nur gespielt, sondern auch körperlich dargestellt.
Das Konzert: Es gibt wenig Mandolinenrepertoire, und so hat der Mandolinist freie Auswahl, was für Stücke er adaptiert. Die beiden Napolitaner, Paisiello und Barbello, schrieben für Mandoline, denn Napoli e la città del Mandolino, und ich glaube der verspielte Paisiello gefiel mir am besten. Die vier Jahreszeiten mit ihren ganzen schnellen Stücken natürlich der helle Wahnsinn. Und in mandolinisch auch sehr anders als mit Geige. Ein echter Gewinn. Abgesehen von aller Show, ist Avi Avital ein Musiker zum Daniederknien.
Zur Zugabe Vivaldies Blöckflötemkonzert RV 443 in C-Dur. Der langsame zweite Satz: Sanft, leise, quasi das Gegenteil von den Vier Jahreszeiten vorher. Schön.
Die Tauben sind zurück
Anscheinend war die Dachbodenbaustelle kurz geöffnet. Und dieses ermutigte die Tauben. Sie patrollieren wieder allein, zu zweit, zu dritt, zu viert, vor Schlafzimmer und Küchenfenster, sicher ungehalten darüber, dass ihnen der Eingang verwehrt wird.
Bis auf eine, oder die zwei. Als ich noch dachte, die Tauben wären weitergezogen, ließ ich Montagmorgen das kleine Badezimmerfenster offen. Montag Abend war dann ein wenig Küchenchaos und ein wenig Badezimmerchaos – aber keine Taube.
Dienstag war nichts. Mittwoch dachte ich um 7 noch ein wenig am Schreibtisch vor mich hin, als ich über mir Geräusche hörte. Das war eher unerwartet. Ich schaue hoch, und sehe eine Taube auf dem Ordnerregal. Vermutlich seit anderthalb Tagen in der Wohnung. Einige Ordner, zum Glück leer, sahen auch nicht mehr sehr gut aus.

Platon umkrempeln
In anderen Belangen soll ich demnächst jemand erklären, wie das mit der KI so ist. Das ist natürlich ein umfassendes Thema, und Mut zur Lücke ist kein Ausdruck. Aber eines scheint mir zumindest bei Generativer KI / Large Langue Modellen (LLM) wesentlich zu sein – weil es komplett kontraintuitiv ist – Generative KI kennt keine Realität.
Wenn wir kommunizieren, dann versuchen wir etwas zu vermitteln: sei es ein etwas reales körperliches da draußen, ein Gefühl oder auch nur ein Produkt unserer Phantasie. Es gibt etwas außerhalb der Kommunikation und eine Kommunikation, die versucht, dieses Außerhalb für Andere begreiflich zu machen.
Deshalb machen Kategorien wie echt oder falsch, Wahrheit oder Lüge Sinn – denn sie vergleichen ob die Kommunikation und das da Draußen übereinstimmen.
Bei generativer KI gibt es das nicht – es gibt nur aneinandergereihte Worte, die nur nach mathematischen Verfahren aneinandergereiht werden. Wo es kein „draußen“ gibt, müssen diese Worte auch keinem Draußen entsprechen.
Ich überlege dafür eine wilde Interpretation von Platons Höhlengleichnis zu nehmen: Ein Großteil unserer Weltwahrnehmung erfolgt vermittelt durch andere – als Schatten an der Wand. Aber wir wissen, dass es einen Raum vor der Höhle gibt, dass es etwas gibt, dass diese Schatten erzeugt. Wenn wir den Schatten eines Baums sehen, wissen wir, wie ein echter Baum aussieht.
Die KI sitzt in der Höhle – hat Millionen, ach was, Milliarden, von Schattenspielen gesehen. Sie ist meister darin, ihre Muster und Formen zu erkennen – nachzubilden was es gesehen und den Rest plausibel zu interpolieren. Aber sie kennt nicht das da draußen. Sie hat keine Ahnung, dass etwas jenseits der Schatten existiert.
Aus Perspektive des Systems ergibt es deshalb auch keinen Unterschied, ob der Schatten überhaupt existieren könnte – weil es ein Äquivalent gibt – oder nicht. Für sie gibt es kein wahr und falsch, sondern nur erwünscht und unerwünscht. Und deshalb wird sie immer halluzinieren. Und je mehr Menschen mit ihr interagieren, und ihr sagen, was erwünscht ist, und was nicht, desto schlimmer wird es werden.
Aber ich fürchte, diese Erklärung ist auch noch zu kompliziert.
Cannes, Helgoland, Internet
Unsere Berichterstatterin aus Cannes mit dem Wichtigsten zum Festival. Vielen Dank für die Information.
Lorenzo war auf Helgoland.
Dieses Synchronbacken scheint aufregender als ich dachte: von ESC bis Notaufnahme.
Frau Landlebenblogs Auto versucht sie umzubringen: Master of the Universe.
An ongoing archive of Abandoned Blogs. (via Messy Nessy)
Im Standard ein schöner Artikel zu dritten Orten: Beisl, Fitnessstudio, Bücherei: Warum wir einen „dritten Ort“ brauchen (via Ligne Claire)
Die Berichterstatterin aus Cannes dankt fürs Verlinken!