Vordergrund: Größere Motorboote im Hafen, noch in Winterverkleidung. Hintergrund: der Bakcstein-Expressionismus-Bau des Ullsteinhauses.

23-03-17 Bis zur Endstation

Madame zog keine Wartenummer.

Nach dem mittwöchlichen Klausur-Ende stellte ich die Ohren auf Querlüften, öffnete alle Gehirntüren und hoffte, dass zwei Tage Luftzug durch’s Hirn jegliche Erinnerung an Mathematik und Statistik hinausblasen und Platz für doppelte Buchführung und Jahresabschlussklausur nächste Woche schaffen.

Zum Hirndurchlüftprogramm gehört eigentlich Schwimmen – aber ich war kaum dort, denn ich bin zu erschöpft und auch leicht verschnupft. Aber nächste Woche dann.

Zum Hirndurchlüften gehört das Lesen netter Unterhaltungsliteratur. Ich beendete „Three Man in a Boat“ und ausgerechnet der deutsche Wikipedia-Artikel zitiert die vielleicht passendste Kritik:

Das Geheimnis von Jeromes Komik ist die einzigartig moderne Mixtur aus wahrheitsgetreuer Anekdote und Phantasie. Und weil Jerome, im Unterschied zu Dickens, seines Materials nicht ganz Herr ist, kommt reine Komik dabei heraus.

Der Text schwankt stilistisch zwischen unbeholfener Reiseführersentimentalität und brüllender Slapstick-Komik. Der Leser fühlte sich beim Lesen so wacklig wie die Protagonisten beim Rudern auf der Themse. Für den heutigen Leser ein schönes Eintauchen in den Alltag der 1890er, einerseits zeitgenössisch andererseits stilistisch auch heute problemlos verdaubar.

Dazu gehört Fernsehen: Kitchen Impossible zum Beispiel. Die Folge von Soontag belegt Madames auf zahlreichen Balkanreisen gewonnen Erkenntnis, dass Südosteuropa den Rest des Kontinents an Hipness links und rechts überholt. Passend zur These, nicht zur Kitchen-Impossible-Folge: Is this the New Cocktail Capital of Europe?

Dazu gehört im Internet lesen: Vielleicht sollten wir die Digitale Transformation im Schwimmbadbereich out of the box denken. And into the water: Free data-center heat is allegedly saving a struggling public pool $24K a year

Und dazu gehört Bahn- und Busfahren. Der White Noise der Großstadt auf allen Sinnesebenen, bis zur Endstation und dann das Verkehrsmittel wechseln. Heute mit der U6 und dem 170er Bus und einigen anderen, die nicht bis zur Endstation führten. Die Sonne lockte mich ans Wasser und es zog mich zurück zu Ullsteinhaus und Tempelhofer Hafen.

Vordergrund: Größere Motorboote im Hafen, noch in Winterverkleidung. Hintergrund: der Bakcstein-Expressionismus-Bau des Ullsteinhauses.

Obwohl Madame keine Wartenummer zog, bekam sie einen neuen Personalausweis.

Entdeckung des Tages: die BSR veranstaltet in Zusammenarbeit mit den Bezirksämtern Kiez-Sperrmüll-Tage. Schöne Idee. Wie vorherzusehen war, beteiligt sich Tempelhof-Schöneberg nicht.

Seltsame Zeiten. Ich spendete für ein Zielfernrohr und ein Nachtsichtgerät für den Vater einer ukrainischen Wikipedianerin. Der Verfasser des Aufrufs ist Administrator der ukrainischen Wikipedia und bekannt zuverlässig. Beklemmende Zeiten.