Raupenfliege an Mazedonischer Witwenblume (Knautia)

23-07-30 Othello (Schuld und Bommelmütze)

Ein Admiral saß auf der Terrasse. Ein General lief über eine Bühne. Aber dazu später mehr.

Madame betreute telefonisch ein Therapiekatzendrama. Vorher hatte sie das Jüdische Museum besucht.

Freitagmittag am Bahnhof Südkreuz: Eine junge Frau geht entschlossenen schnellen Schrittes auf die Rolltreppe zu. Etwa zwei Meter hinter ihr läuft eine andere junge Frau, ähnlich schnell. Erstere sagt immer nur „DU bist Schuld! Du bist Schuld! Du bist Schuld!“

Ähnlich viele Hintergrundinformationen fehlen uns zu den Immobilien-Hallodris im Haus, die ein Büro, fünf Briefkästen und 30 Briefkastenadressen betreiben. (Schätzung – ist alles etwas unübersichtlicht.) Auf jeden Fall waren am Freitagmorgen alle ihre Briefkästen aufgebrochen.

Auch am Südkreuz: Bei 23 Grad Außentemperatur fangen Menschen an, Bommelmützen zu tragen.

Auf dem Heimweg: Vor Tinte+Toner steht ein neuer Automat. Beim Vorbeifahren sieht es aber eher nach Essen + Trinken aus als nach E-Zigaretten-Liquids.

Auf dem wochenendlichen Weg auf die Latifunden führten uns die diversen Sommerferienbaustellen der Stadtautobahn bis nach Spandau. Wir entdeckten beim Vorbeifahren nicht nur eine zweite Filiale Hühnerwald, sondern auch „das größte chinesische Restaurant Deutschlands“ und den Schlemmer-Paradiies-Imbiss (der nicht nur Pulled-Pork-Pommes anbietet sondern auch einen monatlichen Stammtisch mit dem Hertha-BSC-Präsidenten Kay Bernstein).

Bildungslücken taten sich auf: Madame aß noch nie in ihrem Leben Freibadpommes!

Nacht-Stadtautobahn-Begegnung: ein Konvoi auf vier neuen, nicht gekennzeichneten Kleintransportern, der mit Blaulicht reichlich schnell die Stadtautobahn entlang fuhr. Wohin sie wohl wollten? Was sie transportieren? Zu wem sie gehörten?

James Grieve

Im Garten finden die Schmetterlingsfestspiele statt. Neben Admiralen (Admirälen?), die auch gerne des Nachbarn Schmetterlingsflieder aufsuchen, fallen die Kohlweißlinge auf, die über die Wiese torkeln. Kommt man der Wiese näher, stiebt ein Dutzend ätherisch aussehener Bläulinge auf, von den vielen ununterscheidbaren mittelgroßen braunen Schmetterlingen gar nicht zu reden.

James Grieve! Ausgerechnet James Grieve! Der Apfelbaum, der immer etwas kleiner, verkümmerter und weniger tragend war als seine größere Nachbarin Alkmene weiß dieses Jahr überhaupt nicht mehr wohin mit den ganzen Äpfeln. Nur an vorreifen Fallobst fiel diese Woche ein halber 10-Liter-Eimer voll – ohne dass es am Baum einen erkennbaren Unterschied machte. Wobei halt die gesamte Ernte der letzten Jahre zusammen etwa einen 10-Liter-Eimer voll ausgäbe. Das wird noch spannend.

Neben Schmetterlingen waren auch weitere Insekten unterwegs. Spannend: Die Raubfliege, die versuchte eine knapp doppelt so große erbeutete Raupe an der Hauswand hochzuschleppen. Und wir fanden eine weitere unbekannte Fliege: Nach der Durchsicht vieler Fliegenbestimmungsseiten halte ich sie für eine Raupenfliege der Gattung Gymnosoma. Ich lernte aber auch: die einzelnen Arten lassen sich nicht mehr an der Zeichnung unterscheiden, sondern an deren Merkmalen für die man die Fliege einfangen, einfrieren und dann mit Pinzette und Mikroskop untersuchen muss. Oder man zieht DNA. Ist mir im Garten beides zu aufwendig.

Raupenfliege an Mazedonischer Witwenblume (Knautia)

Desdemona im Schwimmbad

Das Latifundenwochnenende wurde von einem Kulturschwimmbadbesuch unterbrochen. Wir hatten dem Motorradmeister zum Geburtstag einen Besuch der Shakespeare Company Berlin geschenkt. Wir trafen uns zum Auftaktessen bei Sagar. Das Ta Panta Ri, bei dem auch schon manches Geburtstagessen mit Meze-Platten stattfand, schloß leider die Tage.

Nach Butter Chicken und Biryani machten wir uns auf den Weg zum Insulaner. Denn das Shakespeare-Theater steht auf der (ehemaligen) Liegewiese des Sommerbads am Insulaner.

Dort führe ich mich eh zu Hause. Und wenn dann noch unter freiem Himmel wunderbare Kultur hinzukommt. Die Company versucht sich an Shakespeare zu orientieren: Volks- und Unterhaltungstheater mit Tiefgang zu inszenieren. Spärliches Bühnenbild, relativ viel Musik, spezielle Kostüme, vor allem aber die Shakespearische „Wortkulisse.“

Und spannend: Bei Shakespeare und diesen Inszenierungen funktioniert, was bei mir bei Sprechtheater nur selten funktioniert: Ich habe den Eindruck, emotional involviert zu sein, die ganze Vielfalt und Abgründe der armen, kleinen, fehlbaren Menschenwesen auf der Bühne dargestellt zu bekommen.

Othello hatte ich bisher komplett ignoriert. Großes Stück, schöne Inszennierung.

Lebensziele

Das Kulturphänomen Barbenheimer ist zumindest soweit nach Deutschland vorgedrungen, dass es einen Wikipedia-Artikel (samt abgewiesenem Löschantrag darauf) gibt.

Die New York Times porträtiert einen New Yorker, der vielleicht 77 Jahre alt ist, vielleicht auch 97 Jahre alt und dessen Aufgabe im Leben aktuell darin besteht, Pickleball-Spielern auf die Nerven zu gehen. Schon das klingt erstrebendwert. Am ertrebenswertesten aber fand ich den Satz:

His name is Paul Owens (or maybe Paul Rubenfarb or Paul Rosenberg); he claims to be 97, and his cryptic business card reads “Let’s go dancing,” while listing a variety of genres like “doo-wop” and “1950s red-light mambo.”

Auch ein spannendes Proträt: Mike Masnick. Der Outsider/Insider der amerikanischen Techszene, der mir schon durch meine Magisterarbeit 2000 durchgeholfen hat – und immer noch derjenige ist, der Techfreak ist und trotzdem einmal am Tag ruft: Der Kaiser ist nackt!

Die Turku -> Istanbul-Reisebeschreibung kam bei der Etappe Wien->Bukarest an. Ich musste Madame davon abhalten, spontan rumänische Bahnfahrtkarten buchen zu wollen.