24-01-04 Zivile Mittagsdämmerung

Das Stadtbad Schöneberg ist geschlossen. Das Stadtbad Tiergarten wird in den nächsten Tagen nach Jahren der Sanierung wiedereröffnen.

Passend zum Jahresanfang sah ich eine junge Frau, die in Selfie-Position durch den Park joggte. Immer schön den rechten Arm mit dem Handy noch oben ausgestreckt.

In der Tiefgarage prügeln sich die Tauben um die besten Plätze auf den Autos.

In der Verwaltung: Die eine Hälfte der Kolleg*innen kommt erholt und motiviert aus der Pause und startet neue Projekte. Die andere Hälfte ist noch im Urlaub. Wie ein Auto, das startet aber noch nicht läuft.

Was vielleicht eine Metapher für diese Tage ist. Sachen beginnen sich wieder zu bewegen. Aber noch rollen sie nicht von selbst, noch ist Anschieben erforderlich.

Das Jahr in seiner Morgendämmerung. Passend dazu kommen die Tage über fahles Dämmerlicht nicht hinaus. Ich versuche, wenigstens mittags an Licht zu kommen und wähle die Mittagspausenvarianten mit den längeren Außenzeiten. Aber mehr als ein fröhliches Mausgrau will der Himmel auch zum Sonnenhöchststand nicht zustande bringen.

Immerhin habe ich mich erfolgreich daran erinnert, dass ich Ende Dezember begann, meine Morgenradarbeitsanfahrt zu ändern. Die neue, längere, Strecke führt über die Stadtparkbrücke, zu JFK, am Kaiser-Richard-Platz vorbei und über die Rote Insel zum Gasometer.

Langsam, sehr langsam, kommt das Gefühl wieder, jedes Gefälle, jede Straßenunebenheit und jeden Lenkereinschlag schon Sekundenbruchteile vorher im Körpergefühl zu haben. Ich erfasse intuitiv die Stellen an denen nach einer Kurve der Wind von vorne kommen wird.

Hätte ich den Weg zum Ulllstein Castle vermutlich am Ende auch bei geschlossenen Augen radeln können, geht es auch hier langsam wieder in die Richtung. Aber noch kann ich Monate. eher Jahre, damit verbringen, die Fahrt zu verfeinern.

Dabei gesehen: Berlin wirkt für den Jahresanfang überraschend aufgeräumt. Die Böller waren bereits alle zu ordentlichen Haufen zusammengekehrt als ich die Straßen und Plätzen passierte.

Madame erforschte die neue Hausarztpraxis.

In der BioCompany lernte sie: Der 10%-Rabattkarten-Rabatt gilt nur noch für die Waren, die dem Oktopus des Kaisers gehören. Also quasi für nichts.

Keine Leuchttürme

Im Dunkeln noch eine Erledigung vom letzten Jahr. Neben dem leeren geschlossenen Stadtbad Schöneberg liegt der andere schöne Schöneberger Ort: die Stadtbibliothek. Ich brachte Bücher zurück. Während die Theoretische Informatik in ihrer Art recht drollig war, fehlte mir zu „Menschen im Hotel“ die Zeit. Ein nächstes Mal.

Im Bestseller-Regal entdecke ich den neuen Walter Moers „Die Insel der Tausend Leuchttürme“. Selbst ohne Meer- und Leuchtturmbezug würde ich den dringend lesen wollen. Aber die Bedingungen („Keine Vormerkung, keine Verlängerung“) halten mich ab. Ich sehe nicht, wann ich in den nächsten vierzehn Tagen 656 Seiten Buch durchlesen kann.

Während ich schon vor Ort war, hielt ich Ausschau nach einem möglichen Lern- und Arbeitsplatz. An sich ist das meine bevorzugte Atmosphäre zum Lernen. Allein – in Ruhe – aber mir einem leichten Grundrauschen im Hintergrund. Wenn ich hochschaue, gibt es etwas zu sehen.

Jahrelange Sozialisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken zeigt sich: Ich fühle mich körperlich unwohl, wenn ich mit Jacke und Tasche in den Lesesaal gehe. Aber in der hiesigen Stadtbibliothek ist das halt so.

Madame bestellte derweil einen Ersatz zum Hören.

Räume, klein und kalt

Die fast-fertig-gelesenen „Orwell’s Roses“ sind im Reisetrubel untergegangen. Stattdessen las ich Kübra Gümüşays „Sprache und sein“ weiter. Der Spiegel-Bestseller-Aufkleber auf einem politischen Buch machte mich skeptisch. Aber zum Glück ließ ich mich zum Lesen überreden. Zumindest der erste Teil des Buchs sagt schöne Sachen über Sprache, Debattenkultur und die Konstruktion von Schubladen.

Irgendwann verfällt das Buch selber in konfrontative Debattenkultur, indem es sich Dauer-wiederholt und sich quasi in seine eigene Argumentation eingräbt. Aber alleine die Hommage an die türkische Sprache und das Sehnen nach Differenz – alleine das lohnt.

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